Natives und Eingewanderte

Ein großer Fleckerlteppich

Im Grunde sind sie alle Einwanderer. Die einen kamen sehr früh und gelten nun als Kanadier, für die anderen war Kanada zunächst Exil und ist Heimat geworden. Und dann gibt es noch die, die immer schon da waren, die Nachkommen der Ureinwohner.

Es war nicht nur das Bedürfnis, den Fremden und Eindringlingen die sprichwörtliche Feder aus der Hand zu nehmen, um die eigenen, alten Geschichten selbst aufschreiben, es war auch das Bedürfnis, die Geschichte der Niederlage, der Vertreibung, der Unterdrückung aus der Sicht der Besiegten zu schildern.

Einigen der indianisch-stämmigen Schriftsteller ist es gelungen, mit ihren Geschichten weit über die Grenzen Kanadas bekannt zu werden. Joseph Boyden etwa, der von den Cree abstammt. Sein Roman "Der lange Weg", die Geschichte zweiter indianischer Soldaten im Ersten Weltkrieg, wurde bislang in zehn Sprachen übersetzt.

David Seven Deers ist eigentlich Bildhauer. Er erhielt von den Ältesten seines Stammes den Auftrag, die Geschichte der Skwahla aufzuschreiben. Und er erzählte sie mit der Stimme des Flusses, der das Glück und das Leid des Volks an seinem Ufer in seinem Bett bewahrt hat.

Indianer werden

Wie David Seven Deers stammt auch Anne Cameron aus British Columbia, dem Westen Kanadas. Sie gehört nicht den "First Nations" an, aber sie lebte lange Zeit mit dem Volk der Nootka auf Vancouver Island, deren Mythen und Überlieferungen sie aufzeichnete. "Töchter der Kupferfrau", das nach diesem Aufenthalt entstanden ist, gehört zu ihren bekanntesten Büchern.

Im Jahr ihrer Geburt, 1938, starb einer, der von sich selbst sagte, er wäre im falschen Körper zur Welt gekommen. Er wurde als Archibald Stansfeld Belany 1888 in England geboren, aber er setzte alles daran, um Indianer zu werden. Mit 18 Jahren gelang es ihm endlich, nach Kanada auszuwandern. Er wurde Trapper und "Kanumann" und berichtete über sein Leben in der Wildnis. Die Ojibwe nahmen ihn als Grey-Owl oder Wäscha-Kwonnesin in ihren Stamm auf, und unter diesem Namen publizierte er seine Schriften, die auch heute noch spannend zu lesen sind.

Zuflucht gefunden

Zu den jüngst in Kanada Eingewanderten zählen - um nur einige zu nennen - die Bestsellerautoren Rohinton Mistry und Michael Ondaatje, indischer Parse der eine - "Das Gleichgewicht der Welt" machte ihn berühmt -, holländisch-tamilischer Herkunft der andere. "Der englische Patient", die Geschichte des ungarischen Grafen Almasy wurde auch verfilmt.

In Kanada fand die Taiwanesin Chen Jo-Hsi Zuflucht. Sie verarbeitete ihre Erfahrungen mit der chinesischen Kulturrevolution in Kurzgeschichten. Vor Idi Amin ist die Familie der damals vierjährigen Irshad Manji geflohen. Sie lebt nun als Journalistin in Toronto und hat mir ihrer Forderung für einen aufgeklärten Islam den Zorn der Fundamentalisten auf sich gezogen.

Autoren im Netz

Und die ganz Berühmten, deren Vorfahren bereits aus irgendeiner Weltgegend nach Kanada kamen? Da gibt es die Anglophonen, zum Beispiel Margaret Atwood und Leonard Cohen, die Frankophonen wie Denise Bombardier und Andre Dubus. Die Quereinsteiger, etwa Joe Fiorito, dessen journalistische Arbeiten in Kanada Kultstatus genießen, und dessen Roman "Die Stimmen meines Vaters" hymnisch gefeiert wurden. Die Kultautoren, angeführt von "Generation X"-Autor Douglas Coupland. Und die ganz Fortschrittlichen, die seit 13 Jahren nur mehr elektronisch publizieren. Im EPC, dem Electronic Poetry Center. Nach dem Motto: Auch im Chatroom kann es gemütlich sein.

Mehr dazu in oe1.ORF.at
Kanadische Literatur zu Gast in München
Joseph Boydens "Geisterkämpfer"

Buch-Tipps
Joseph Boyden, "Der Lange Weg", Knaus

David Seven Deers, "Die Menschen an meinem Ufer. Ein Fluss erzählt die Geschichte der Skwahla-Indianer", Frederking & Thaler

Anne Cameron, "Töchter der Kupferfrau. Der Bärenhüter im Waldgut", Unionsverlag

Wäscha-Kwonnesin, "Ihre Mokassins hinterließen keine Spuren. Grau-Eule erzählt", Lamuv

Rohinton Mistry, "Das Gleichgewicht der Welt", S. Fischer

Michael Ondaatje, "Der englische Patient", S. Fischer

Chen Jo-Hsi, "Die Exekution des Landrats Yin", Ullstein

Irshad Manji, "Der Aufbruch. Plädoyer für einen aufgeklärten Islam", Eichborn

Denise Bombardier, "Eine Weihwasserkindheit", Aufbau

Andre Dubus, "Ehebruch und anderes. Vier Novellen", Rowohlt

Joe Fiorito, "Die Stimmen meines Vaters", Alexander Fest Verlag

Douglas Coupland, "Generation X", Goldmann

Links
David Seven Deers
Douglas Coupland
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