Zum Abschluss des internationalen Polarjahres
Trauriger Pinguin, schwitzender Eisbär
Wer zur europäischen Mittelschicht gehört, kann sich eine Polarreise problemlos leisten. Deshalb sieht man mittlerweile eine bunte Schar von Leuten in der Antarktis und nicht nur die Reichen und Berühmten. Der Antarktis selbst tut das nicht so gut.
8. April 2017, 21:58
"Jedes Jahr im Frühjahr wird es hektisch am arktischen Drifteis mitten im Polarmeer. Das Eiscamp Barneo wird für die Gäste hergerichtet. Minus 29 Grad und eisiger Wind sind genau das, was die Touristen hier suchen", sagt Sergey Pisarev von der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Wenn man über Polartourismus redet, spielt ein Land eine ganz zentrale Rolle: Russland. Die Hälfte der arktischen Region ist offiziell russisch. Und ebenso zentral ist die Polarregion für Russland, denn die Hälfte des russischen Territoriums ist Permafrost - laut Definition also Polarregion. Ohne Russland wird es keinen Polartourismus geben, sagt der Geograf Sergei Sokratov von der Universität Moskau
Die größte Herausforderung wird aber nicht der Touristenansturm, sondern der Klimawandel in der russischen Polarregion. Für den Permafrostboden bringt die Klimaerwärmung zwei Veränderungen: Zum einen wird die Region für Touristen attraktiver, weil sie bald mehr und bessere Infrastruktur zu bieten hat, zum anderen werden viele bestehende Gebäude im tauenden Boden einsacken und zerstört, Erdgasleitungen werden reißen - für die Einheimischen wird das eine echte Bedrohung.
Auch Kanada wird vom Polartourismus verändert
Der aufkeimende Polartourismus wird noch ein Land maßgeblich verändern: Kanada. Der nördlichste Punkt des Landes ist nur einige hundert Kilometer vom Nordpol entfernt. In Kanada spricht man vom Polartourismus von den Regionen Yukon Territory, Northwest Territories Nunavut und von Teilen von Nord-Quebec und von Neufundland und Labrador, erklärt Patrick Maher von der University of Northern British Columbia in Kanada.
"Der strategische Wert der Polarregion Kanadas liegt in ihren Bodenstoffen: riesigen Erz- und Uranvorräte, Gold, Silber, Zink, um nur einige Rohstoffe zu nennen. Der Bergbau drängte die Inuit noch stärker an den Rand der Gesellschaft. Der Tourismus könnte eine Chance sein, dass die Einheimischen von der Entwicklung profitieren."
Tourismus in der Antarktis
Am anderen Ende der Erdkugel, in der Antarktis gibt es zwar auch Bodenschätze - der Antarktisvertrag verbietet aber deren Ausbeutung. Deshalb dürfen Erdöl, Erdgas, Platin, Kupfer und Gold zumindest bis 2041, wenn der Vertrag ausläuft, unberührt unter dem südlichen Eis schlummern. Der Antarktisvertrag hat aber auch Folgen für den Tourismus: So dürfen weder die Forscher noch die Kreuzfahrtstationen Müll am eisigen Kontinent zurücklassen. Das Brauchwasser muss wieder aufbereitet werden.
Der niederländische Sozialwissenschafter Machiel Lamers, Spezialist für Tourismus in der Antarktis, sieht aber auch die Grenzen des Vertragswerks. "Der Antarktis-Vertrag kennt eine Reihe von Regeln, etwa dass man nichts in der Antarktis zurücklassen und keinen Müll dort deponieren darf. Der Vertrag hat aber ein ganz großes Problem: Er ist sehr schwer zu kontrollieren. Schließlich ist die Antarktis gleichermaßen weit weg und riesig. Deshalb kann man kaum sicher stellen, dass das Regelwerk auch befolgt wird."
Genau genommen müssen die Reedereien und die Tourismusveranstalter sich selbst kontrollieren. Wie die touristische Entwicklung der letzten Jahre zeigt, wird es aber immer wichtiger, dass der Vertrag auch eingehalten wird. 1990 besuchten nur 2.000 Menschen die Antarktis, heute sind es 46.000 pro Jahr. Für Lamers droht dem eisigen Kontinent jetzt der Massentourismus.
Landbesuche werden noch streng überwacht
Damit sich Touristen und Schiffe nicht in die Quere kommen, hat die "International Organisation of Antarctic Tour Operators" - quasi die Vereinigung der Antarktis-Veranstalter - Regeln aufgestellt. So legt sie jedes Jahr aufs Neue fest, welches Schiff wo anlegen darf. Schiffe mit mehr als 500 Passagieren dürfen gar nicht landen.
Die meisten Touristen gehen natürlich an Land und besuchen etwa Pinguinkolonien oder Forschungsstationen. Normalerweise werden diese Aktivitäten von den Reiseveranstaltern sehr strikt überwacht. Die Forschung hat zumindest bis jetzt noch keine gravierenden Einflüsse des Tourismus auf die Antarktis feststellen können.
Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 31. März 2009, 19:05 Uhr
Link
Internationales Polarjahr 2007-2009