Sind Gangster-Rapper Kriminelle?

Bronx im Beserlpark

Ist jeder Gangster-Rapper ein Krimineller? Oder einfach ein Poser? Wir haben in der Szene recherchiert und im Herzen des Wiener Arbeiterbezirks Favoriten junge Rapper getroffen. Es hat sich gezeigt: Wenig ist so, wie es scheint.

Jänner 2008: Der deutsche Gangster-Rapper Massiv wird in Berlin angeschossen. Glatter Durchschuss, sagt der massige Musiker später. Nur ein Streifschuss, berichten Zeitungen. PR-Gag oder kriminelle Machenschaften? Wie auch immer - mit diesem Vorfall war eine Musikrichtung in die Schlagzeilen geraten, die früher "Respect" als oberste Maxime führte. Die humorlosen Texte von Massiv sind ganz und gar respektlos: "Mit dem Säbelschwert schneid ich euch die Zungen ab, bis die Zunge in die Lunge klappt", rappt er in "Opferfest".

Mit dem Erfolg von Massiv und Rappern wie Sido und Bushido hat Gangster-Rap in Deutschland den Durchbruch geschafft. Dahinter stehen große Plattenfirmen, die viel Geld in den Aufbau der Stars pumpten: Sony BMG hat in Massiv laut Medienberichten eine Viertelmillion Euro investiert (und sich mittlerweile wieder von ihm getrennt). Der Musikkonzern Universal übernahm vom Underground-Label Aggro Berlin den Rapper Bushido - und fuhr Goldene Schallplatten ein.

Gewalt, Drogen und Sex

Mit den Erfolgen in Deutschland ist Gangster-Rap - das Genre gibt es in den USA schon seit fast 20 Jahren - in Österreich angekommen. Und damit Texte über Gewalt, Drogen und Sex, oft explizit gegen Minderheiten, Frauen und Homosexuelle gerichtet. Doch sind alle Gangster-Raper auch echte Gangster?

Neno ist fast 20 Jahre alt. Er ist Rapper. Wir treffen ihn bei back on stage 10, dem Stützpunkt der mobilen Jugendarbeit im Zehnten Bezirk. Hier hilft man Jugendlichen zwischen zwölf und 25 Jahren bei Behördenwegen oder Problemen mit der Polizei. Andreas Glaser arbeitet mit den Jugendlichen auch an Hip-Hop-Tracks. "Die Musik ist eine der Tools, um mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen", erläutert Glaser.

Jeder will ein Gangster sein

Heute ist Neno bei back on stage, um mit Kollege Corsi einen Track aufzunehmen. "Irgendwann ist in puncto Leben alles bergab gegangen", erinnert sich Neno an seine Anfänge. "Darüber habe ich ein Lied geschrieben." Mit dem Gangster-Rap-Trend hat er Probleme: "Jeder Zweite versucht, zu rappen. Und das nur wegen den Leuten aus Deutschland. Jetzt will jeder Moslem ein Gangster sein." Die meisten würden gar nicht wissen, was Hip Hop eigentlich sei: "Für die ist Hip-Hop nur Fäkalausdrücke, Frauen, Geld und Leute abstechen. Das Gegenteil von dem, was man von Hip-Hop eigentlich erwarten sollte."

Streetworker und DJ Andreas Glaser will kommunizieren, woher Hip-Hop kommt: "Das haben nicht 50 Cent oder Tupac erfunden." Gangster-Rapper wie Bushido würden jedoch ein großes Identifikationspotenzial bieten: Migrationshintergrund, arme Verhältnisse. "Da denken viele: Der ist wie ich. Und nehmen das, was diese Gangster-Rapper sagen, für bare Münze - und da haben wir den Salat." Gangster-Rapper würden auch nur mit Wasser kochen: "Dass die nichts anderes machen, als in dem System Geld zu verdienen - das muss man mal verklickern."

Aus Fehlern lernen

"Wer mehr Scheiß erlebt hat, ist cooler", erklärt Neno das Klischee. "Das ist dumm. Wenn man davon rappt, wie oft man erwischt worden ist, heißt das ja nur, dass man nicht aus seinen Fehlern lernt."

Frust ablassen, denn Hass artikulieren für die Schläge, die man bekommen hat - körperlich und vom Leben: "Die meisten Kids hier kriegen keine Jobs, sollen von 120 oder 200 Euro leben. Da ist jeder Strohhalm, den es gibt, wichtig", sagt Glaser. Neno ist arbeitssuchend: "Förderung vom Staat bekomme ich keine. Ich bin einfach ein Pechvogel. Schule abgebrochen, der falsche Freundeskreis - Schlägern war uns viel wichtiger." Seine Zukunft stell er sich so vor: Job finden, Matura nachholen - und rappen.

Neno kann einiges von Gewalt erzählen: "Es gibt ungeschriebene Gesetzte im Zehnten Bezirk. Jeder weiß, in welchem Park er sich rumtreiben darf und in welchem nicht. Darüber erzählt unsere Musik. Von der Straße für die Straße." Die Musik habe ihn nicht zu den "aggressiven Sachen" geführt: "Das war nur der falsche Freundeskreis. Hip-Hop ist Medizin für die Seele."

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