Das Wasserleitungsmuseum in Wildalpen

Wasser für Wien

Dass ein Wasserleitungsmuseum spannend sein kann, würde man vielleicht nicht auf Anhieb vermuten. Das im obersteirischen Wildalpen ist es aber. Es dokumentiert die faszinierende Geschichte der II. Wiener Hochquellenleitung.

Wildalpen liegt tief eingebettet zwischen den Südhängen von Hochkar und Kräuterin auf der einen und der wilden Nordseite des Hochschwabmassivs auf der anderen Seite. Die Salza fließt östlich und westlich der Gebirgssommerfrische völlig unverbaut durch das idyllische Tal.

Zentrum des Wildwassersports

Wildalpen trägt seinen sprechenden Namen ganz zu Recht. Das hübsche Dorf ist ein europaweit bekanntes Zentrum des Wildwassersports. Aber auch jenseits von Kajaks, Kanus und Rafting-Booten ist Wildalpen sehr eng mit dem Wasser verbunden. Denn aus dem kleinen obersteirischen Ort führt die II. Wiener Hochquellenwasserleitung direkt nach Wien.

Flächenmäßig ist Wildalpen mit 203 Quadratkilometern die zweitgrößte Gemeinde in der Steiermark, sie zählt aber nur 585 Einwohner. Etwa hundert von ihnen sind bei den Wasserwerken der Gemeinde Wien beschäftigt.

Rasantes Wachstum der Hauptstadt

Wien ist die einzige Millionenstadt, die mit quellfrischem Wasser aus den Bergen versorgt wird. 1873 war die I. Wiener Hochquellenleitung in Betrieb genommen worden. Sie bringt bis heute Wasser aus dem Gebiet von Rax, Schneeberg und Schneealpe nach Wien. Beim außerordentlich rasanten Wachstum der Hauptstadt im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts reichten aber die Wassermengen, die aus dem südlichen Niederösterreich geliefert wurden, sehr bald bei weitem nicht mehr aus. Am 21. März 1900 wurde daher im Rathaus beschlossen, eine weitere Quellenleitung zu bauen.

19 Dükerleitungen. 100 Aquädukte. 10.000 Arbeiter

Oberbaurat Karl Kinzer entschloss sich, den Wasserreichtum des Hochschwabgebiets zu nutzen. Der Hochschwab ist ein Kalkgebirgsstock mit unterschiedlichen Verkarstungsgraden. Wasser sickert nur langsam abwärts. Es hält sich lange auf im Berg, bevor es auf Schichten von Werfener Schiefer stößt und nach Norden in das Salzatal abfließt. Aber wie sollte das Wasser nach Wien gebracht werden?

Ingenieur Kinzer und seine Mitarbeiter planten ein Jahrhundertbauwerk: eine Hochquellenleitung, die das kostbare reine Wasser über 180 Kilometer nach Wien transportieren sollte. Im eigenen Gefälle. Ohne Pumpwerke. Um das zu ermöglichen mussten nicht weniger als 100 Aquädukte errichtet werden. Zur Unterquerung von Flüssen und Tälern wurden 19 Dükerleitungen gelegt. Die funktionieren nach dem Prinzip der kommunizierenden Gefäße.

Weil im Lauf des Jahres 1908 die Wassernot in Wien schon so drängend wurde, dass sogar gesundheitliche Gefahren drohten, wurden die Bauarbeiten an der II. Hochquellenleitung beschleunigt. Zeitweise arbeiteten bis zu 10.000 Arbeiter auf den Baulosen, viele von ihnen unter schwierigsten Bedingungen.

Eröffnung durch Kaiser Franz Joseph
Am 2. Dezember 1910 nahm Kaiser Franz Joseph die neue Wasserleitung höchstselbst in Betrieb. Im Festsaal des Wiener Rathauses wurde gefeiert. Aus den beiden Springbrunnen im Rathauspark schießen seither die Fontänen von Quellwasser in die Höhe.

Umfangreiches Gebietsmanagement zum Quellschutz

Beeindruckend sind aber nicht nur die historisch-technischen Details des grandiosen Bauwerks. Faszinierend ist auch das komplexe Umfeld: die komplizierten Wasserrechte, das Gebietsmanagement der Quellschutzgebiete, die Forstbewirtschaftung im Einzugsgebiet. Immerhin müssen Tausende Hektar betreut werden, die von der Gemeinde Wien erworben worden sind, um die Wassergewinnung auf Dauer abzusichern.

Nicht zuletzt bedarf es aber auch weitreichender Schutzmaßnahmen gegen Terroristen oder Kriminelle. Die kann man zum Beispiel bei einem Besuch der Kläfferquellen bei Weichselboden nachvollziehen. Aufwändige Elektronik und doppelte Stahltüren schützen dort den Eingang in die tiefen Stollen. Schließlich tritt drinnen im Berg aus den Quellen etwas äußerst Kostbares: Trinkwasser - ein Lebensmittel.

Hör-Tipp
Ambiente, Sonntag, 21. März 2010, 10:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Tipp
Wasserleitungsmuseum Wildalpen, Öffnungszeit: 1. Mai bis 26. Oktober. Gruppen (ab zehn Personen) sind nach Anmeldung auch außerhalb der Öffnungszeiten willkommen.
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der II. Wiener Hochquellwasserleitung werden derzeit mehrere Räume des Museums neu gestaltet. Ab 1. September 2010 wird sich das Wasserleitungsmuseum dann noch attraktiver präsentieren. Bis dahin sind nur Teile des Museums und die Kläfferquelle zu besichtigen, Letztere nur nach vorheriger Anmeldung.

Links
wien.at - Wiener Wasser
wien.at - Wasserleitungsmuseum Wildalpen