Ausbuchstabiertes Historiendrama

Henri 4

Heinrich Mann verwertete das Leben von Heinrich IV., König von Frankreich und Navarra, in zwei Romanen. Auf diesen basiert nun die Verfilmung des Stoffes durch Jo Baier, die diese Woche in die heimischen Kinos kommt.

Mittagsjournal, 06.07.2010

Heinrich IV., König von Frankreich und Navarra, war im 16. Jahrhundert verstrickt in die Hugenottenkriege und die Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten. Als König sicherte er schließlich durch das Edikt von Nantes für lange Zeit den Religionsfrieden in Frankreich.

Nun hat Jo Baier die Vorlage Heinrich Manns verfilmt. Die europäische Produktion ist mit einem 20 Millionen Euro-Budget ausgestattet, hochkarätig mit Karl Markovics und Ulrich Noethen besetzt, sowohl fürs Kino als auch als Fernsehserie konzipiert und soll der Erlebniskino-Hit des Sommers werden.

Friedensutopien brechen in sich zusammen

Als Kind spielt der blaublütige Henri von Navarra gern mit Bauernburschen im Schlamm. Als erwachsener Mann soll er, der bereits als 14-Jähriger im Hugenottenkrieg gegen Caterina de Medicis eisernes Pariser Regime gekämpft hat, die Tochter des Feindes heiraten: Margot ist attraktiv und lasziv, aber eben auch nur eine Figur im Machtspiel ihrer Mutter. Schon kurz nach der Hochzeit brechen alle Friedensutopien in sich zusammen: Die matronenhafte Caterina de Medici dirigiert eine Serie von Auftragsmorden, die das Volk gegen die in Paris anwesenden Hugenotten aufwiegelt. Auf ihr Wort folgt das Schwert: Das Blut fließt in Strömen durch Paris, das Massaker wird als "Bartholomäusnacht" in die Geschichtsbücher eingehen.

"Die Jugend" und "Die Vollendung des Henri Quatre" heißen die zwei historischen Romane, die Heinrich Mann auf dem Leben des Rebellen, Utopisten, Politikers und späteren Königs von Frankreich Henri von Navarra aufbaut. Von deren philosophischer und erzählerischer Komplexität bleibt in Jo Baiers "Henri 4" nichts mehr übrig. Machthunger, Hinterlist und Intrige sind fest in römisch-katholischer Hand, die Trennlinien zwischen Gut und Böse eindeutig fest geschrieben. Der französische Herzensbrecher Julien Bossolier reitet, schreitet und kämpft sich als Titelheld mit attraktivem Blick durch unattraktive Set-Bauten, wird zur eindimensionalen Erlöserfigur, die Frankreich endlich Frieden und Freiheit bringen könnte.

Mehrteilige Fernsehfassung

An die 20 Millionen Euro hat "Henri 4" verschlungen: für europäische Maßstäbe eine gewaltige Summe, im internationalen Vergleich immer noch eine Kleinproduktion. Um dieses Ungleichgewicht und den Minderwertigkeitskomplex gegenüber von Hollywood zu bewältigen, setzen immer mehr deutsche Produzenten auf "Amphibienfilme". Parallel zur Kinofassung wird eine mehrteilige Fernsehfassung angefertigt, was eine annähernde Verdoppelung der Einnahmen bedeutet. Wolfgang Petersens Welterfolg "Das Boot" und Uli Edels "Der Baader-Meinhof-Komplex" sind bekannte Beispiele für den kommerziellen Erfolg dieser Strategie.

Das Hantieren mit großen Budgets und das gleichzeitige Bedienen von zwei Märkten bedeutet allerdings fast immer einen ästhetischen Kompromiss: Selbst bei der zweieinhalbstündigen Kinofassung von "Henri 4" sind die Handlungsadern dermaßen ausbuchstabiert, alle Figuren dermaßen klar gezeichnet, dass man selbst dann noch alles versteht, wenn man regelmäßig mehrere Minuten versäumt - wie das beim Zerstreu-Medium Fernsehen eben so üblich ist.

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