Opposition spottet über Verordnung

"Revolution in den Wahlzellen"

Die Fidesz-Regierung hat mit Zweidrittelmehrheit im Parlament beschlossen, dass eine schriftliche Erklärung über die "erfolgreiche Revolution in den Wahlzellen" eingerahmt und in allen öffentlichen Gebäuden aufgehängt werden müsse. Die Oppositionsparteien gehen mit viel Spott zur Gegenoffensive über.

Mittagsjournal, 07.07.2010

"Revolution in der Wahlzelle"

Die hymnenartige Erklärung nennt sich "Erklärung über die Nationale Kooperation" und erinnert ein wenig an Huldigungstexte für Machthaber in autoritären Staaten. In leicht poetischem Stil wird kundgetan, dass Ungarn nach Diktatur, fehlgeschlagener Revolution, und wirtschaftlicher Depression das Recht auf Selbstbestimmung zurückerobert habe. Es heißt, dass die ungarische Nation im Frühling dieses Jahres ihre Lebenskraft gesammelt und in den Wahlzellen eine Revolution vollzogen habe. Wörtlich steht zu lesen: "Die Ungarn haben mit dem Umsturz des alten Systems und mit der Gründung eines neuen Systems einen Sieg errungen."

Urkunde mit Passepartout

Der rund 25 Zeilen lange Text, in dem auffallend oft die Wörter Kampf, Sieg und Volkswille vorkommen, ist auf einer Art Urkunde gedruckt, die samt Passepartout in einem 50 mal 70 Zentimeter großen Rahmen zur Schau gestellt wird. Diese gerahmte Urkunde muss laut Beschluss der Orban-Regierung in allen öffentlichen Gebäuden wie Ministerien oder Schulen an einem würdigen Platz ausgestellt werden.

Verfassungsgericht weigert sich

Der noch bis 4. August amtierende Staatspräsident László Sólyom hat es sofort abgelehnt, diese Erklärung in seiner Kanzlei aufzuhängen. Sein Nachfolger hingegen, Pál Schmitt, ein braver Fidesz-Parteisoldat, sucht bereits nach einer würdigen Wand in seinen künftigen Amtsräumen. Das ungarische Verfassungsgericht zeigt sich bockig und will die Urkunde nicht zur Schau stellen. Die Nationalbank überlegt noch.

Spöttische Anträge der Opposition

Oppositionspolitiker haben vorgeschlagen, die Erklärung auf der Rückseite alter Lenin-Plakate zu drucken, um in Zeiten ausufernder Defizite Papier zu sparen. Unterdessen haben die Sozialisten eine Gesetzesinitiative im Parlament eingebracht, wonach der Geburtstag von Premierminister Viktor Orban zum Staatsfeiertag erklärt werden sollte. Außerdem wurde noch der Zusatzantrag gestellt, die Urkunde in den Amtsräumen speziell zu beleuchten. Die verpflichtende Parlamentsdebatte darüber verspricht ausnahmsweise einmal heiter zu werden.