Situation der Roma in Serbien spitzt sich zu

Die gehasste Minderheit

Die EU hat für dieses Jahr das Jahr gegen Armut und Ausgrenzung ausgerufen. Roma und Sinti sind mit etwa 12 Millionen Angehörigen die größte Minderheit in Europa. Seit Jahrhunderten werden sie diskriminiert und ausgegrenzt.

Roma-Präsident Zoran Todorovic über die Diskriminierung der Roma

Malerisch ist die Hügellandschaft rund um den kleinen Ort Aleksinac, über 200 Kilometer südöstlich der serbischen Hauptstadt Belgrad. Ein schmuckes Einfamilienhaus steht neben dem anderen. Dazwischen Bauernhöfe und hübsche Gärten. Hier ist alles adrett, sauber und ordentlich. Bis auf dort, wo die asphaltierte Straße jäh endet.

Hier ist die Roma-Siedlung Prcilovica: Menschen hausen unter Plastikplanen, in illegal errichteten Wellblechbaracken und Bretterbuden aus Holz zum Teil ohne Fenster und Türen und mit kaum wetterfesten Dächern, dazwischen Trampelpfade.

Eine Wasserstelle für 670 Menschen

Kinder mit schmutzigen Gesichtern spielen im Staub Fußball. Am Eingang der Siedlung waschen Frauen ihre Kleider in Plastikbottichen - an der einzigen Wasserstelle für fast 670 Menschen. Wasserleitungen zu den Hütten gibt es nicht - deswegen ist das hier auch gleichzeitig der Badeplatz für alle Bewohner: Einer der Roma schüttet sich Wasser über den Körper, während ein kleines Mädchen zu der Wasserstelle kommt.

Die fünfjährige Kristina trägt eine Plastikflasche, die halb so groß ist, wie sie selbst: "Ich hole Wasser!", erklärt sie geschäftig, "fünf Mal am Tag gehe ich Wasser holen." Vorsichtig hält sie die Flasche unter den Wasserstrahl. Dann umfasst sie die Flasche mit beiden Händen und schleppt sie durch die Siedlung: Vorbei an den niedrigen Hütten, in ihr Zuhause.

Wackelige Buden im "glücklichen Tal"

Eine wackelig zusammengezimmerte Unterkunft, ein paar Quadratmeter groß, mit einem Boden aus Beton, in dem große Löcher klaffen. In einer Ecke läuft der Fernseher, an der Wand hängt ein vergilbtes Jesus-Bild. Unzählige Fliegen schwirren herum, es ist unerträglich heiß.

Kristinas Mutter sitzt auf einem zerschlissen Sofa und klagt: "Schauen Sie, wie ich lebe, mit drei Kindern in einem Zimmer." Svetlana Marinkovic ist 34 Jahre alt, hat Herzprobleme und Gicht in den Händen. Sie geht Putzen, um sich und die Kinder über die Runden zu bringen. Was sie sich wünschen? Kristina muss nicht lange überlegen: "Ich möchte ein Haus haben, in dem es schön ist. Für mich, meine zwei Schwestern und meine Mutter."

"Glückliches Tal" werden die Hütten hier von manchen Serben zynisch genannt. Als Zoran Todorovic das hört, lacht er bitter: "Mein Gott, jeden Monat stirbt ein Kind!" Vor zwei Monaten sei wieder ein Kind in Prcilovica gestorben, erzählt er. Besonders im Winter sind es mehr, denn dann ist es in Serbien eisig kalt. Die Roma hier haben keine Heizung. Es gibt weder Toiletten noch Kanalisation. Strom zapft man von der öffentlichen Beleuchtung ab.

Keine Chance auf Schule

Zoran ist der Gebildetste von Prcilovica und somit der Präsident der Siedlung. Eine geregelte Arbeit in der Gegend habe keiner hier, erzählt er. Für einen Rom ist es noch schwieriger als für andere Serben, einen Job zu finden - einer von ihnen sagt, "weil wir keine Schule besucht haben. Deswegen, und weil wir Zigeuner sind."

Die meisten der Kinder haben keine Chance die Schule zu besuchen, weiß Felicitas Filip von der österreichischen Caritas, die zusammen mit der Erste Stiftung im so genannten KomenskyFond benachteiligten Kindern nicht nur in Serbien hilft: "In der Situation in der diese Kinder leben, ist es unmöglich, eine Schule zu besuchen oder zu lernen." Außerdem seien sie dort auch nicht gewollt.

Und genau deswegen hat Zoran einen Traum: Er möchte in der Siedlung eine Schule für die Kinder errichten. Dann könnte jedes Kind in der eigenen Gemeinschaft die serbische Sprache lernen, bevor es in die Schule kommt, hofft er. Um später auch eine Chance zu haben. In der Schule. Und im Leben.