Nach Todesschuss der Polizei

Krawalle in Grenoble

Ein südlicher Vorort der französischen Stadt Grenoble ist seit Freitag Schauplatz von Krawallen zwischen Jugendlichen und der Polizei. Die Unruhen waren ausgebrochen, nachdem die Polizei einen Casino-Räuber nach einer Verfolgungsjagd und einem Schusswechsel tödlich getroffen hatte.

Mittagsjournal, 19.07.2010

Neue Qualität der Gewalt

Die vergangene Nacht war relativ ruhig im Grenobler Vorort Villeneuve, zu den bereits verbrannten 80 Autos kamen keine weiteren hinzu, allerdings - und dies zeugt von einer neuen Qualität der Gewalt in manchen französischen Vorstadtghettos – die dritte Nacht hintereinander ist auf die Ordnungskräfte geschossen worden. Dies, obwohl die Mutter des mehrfach vorbestraften, erschossenen Casino Räubers wiederholt zur Ruhe aufgerufen - und Frankreichs Innenminister am Samstag vor Ort betont hatte: "Wir werden schnell reagieren, wenn ich sage schnell, heißt das sofort. Wir werden die öffentliche Ordnung und die Autorität des Staates wiederherstellen".

Regierung ohne Gegenplan

Der Innenminister hat insgesamt 300 Polizisten, darunter schwerst bewaffnete Spezialeinheiten bis hin zu einem nachts kreisenden Hubschrauber in die Vorstadt von Grenoble beordert, Ordnungskräfte, die es mit extrem mobilen Gruppen von insgesamt nicht mehr als 40 Jugendlichen zu tun haben . Doch für den Bürgermeister von Grenoble sind solche Maßnahmen nicht ausreichend: "Es darf nicht sein, dass man denkt, wenn in einigen Tagen die Ordnung wiederhergestellt ist, dass damit alles beim besten ist und es keine Probleme mehr gibt, das stimmt einfach nicht".

Frankreichs Regierung ist angesichts der Ereignisse von Grenoble erneut mit der Tatsache konfrontiert, dass sich in der Problemvororten des Landes, wo annähernd fünf Millionen Menschen leben, seit den Vorstadtunruhen Ende 2005 kaum etwas geändert hat. Emblematisch dafür: der von Präsident Sarkozy groß angekündigte Marshall-Plan für Frankreichs Vorstädte ist kläglich im Sande verlaufen.

Claude Dillin, der Vorsitzende der Vereinigung der Bürgermeister französischer Problemvororte: "Es gibt ein grundlegendes Problem und man muss dauerhaft etwas tun, damit die Bevölkerung in diesen Viertel unter normalen Bedingungen leben kann, denn das ist zurzeit nicht der Fall. Akzeptiert die französische Gesellschaft, dass es in ihrem Inneren derartige Pulverfässer gibt, oder sagt sie, ein für alle mal, es reicht, solche Dinge dürfen nicht sein?"

Verbrecherbanden in Problemvororten

Die Problemvororte von Grenoble, darunter das jetzt betroffene Viertel Villeneuve, sind seit mehreren Jahren als Hochburg der Großkriminalität bekannt und waren auch wiederholt Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden Verbrecherbanden, die den Drogenhandel in der gesamten Region kontrollieren und auf bewaffnete Raubüberfälle spezialisiert sind.

Angesichts dessen wird die Wahrscheinlichkeit, dass die Vorfälle der letzten Nächte in Grenoble sich auch auf andere Vorstädte Frankreichs ausbreiten könnten, von Spezialisten als äußerst unwahrscheinlich angesehen.

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