Semih Kaplanoglus ungewöhnliche Trilogie

Honig, Milch und Ei

Ein Überraschungssieger konnte bei der diesjährigen Berlinale den Goldenen Bären mit nach Hause nehmen: "Bal" - übersetzt "Honig", eine Familiengeschichte aus der türkischen Provinz von Regisseur Semih Kaplanoglu, konnte die Jury rund um Werner Herzog mit seiner "meditativen Kraft" überzeugen.

Hoch hinaus für Honig

Yusuf ist gerade in die Schule gekommen. Er stottert und müht sich damit ab, lesen zu lernen. Sein Vater ist Imker. Die Bienenkörbe hängt er in die Wipfel hoher Bäume, tagelang zieht er mit seinem Maultier durch die Wälder - eine einsame und gefährliche Arbeit. Manchmal begleitet ihn sein Sohn.

Mittagsjournal, 01.09.2010

Auf der Suche nach der perfekten Kulisse

Regisseur Semih Kaplanoglu geht es in seinem Film "Bal" um die Wiederentdeckung der anatolischen Provinz. Dementsprechend wichtig war ihm die Auswahl des Drehortes:

"Im östlichen Schwarzmeerraum gibt es eine beinahe noch unangetastete Natur. Ich bin auf der Suche nach einem Drehort viel in der Türkei herumgereist. Für mich passte diese Region gut zur Seele dieses Films, denn die Mächtigkeit und Größe der Wälder ließ die Menschen in ihnen hilflos und zerbrechlich erscheinen", so der Regisseur.

Abwechslungsreich und spannend

Die Filmkritik lobte die meditative Kraft von "Bal", wobei meditativ hier kein anderes Wort für langweilig ist. Die Bilder strotzen vor Schauwerten und jede Szene ist von kleinen Spannungsmomenten erfüllt. Wenn Vater und Sohn durch den Wald streifen, unterhalten sie sich nur im Flüsterton über Träume und Pflanzen.

Auch wenn die Kamera das Geschehen oft unbewegt und in langen Einstellungen beobachtet, wird dem Zuschauer die Zeit nicht lang. Dafür sorgt nicht zuletzt die ausgeklügelte Bildkomposition. Semih Kaplanoglu meint dazu: "In allen meinen Filmen gab es immer bestimmte Maler, die für mich Referenzpunkte darstellten. Bei 'Bal' war es der Niederländer Vermeer, der mich beeinflusst hat. Es war sein Verständnis von Licht und seine Verwendung des Raumes, die mich fasziniert haben."

Eine Biografie, rückwärts erzählt

"Bal" ist der letzte Teil einer ungewöhnlichen Trilogie. Alle drei Filme zeigen Ausschnitte aus dem Leben eines Dichters. Im ersten Teil, "Yumurta", auf Deutsch "Ei", war dieser Yusuf jenseits der 40, im zweiten Teil "Süt", also "Milch", gerade 18. "Bal" stößt in dieser rückwärts gewandten Biografie jetzt in die Kindheit ihrer Hauptfigur vor, ohne aber auch in der Geschichte zurückzugehen, denn der Schauplatz ist in allen drei Filmen die gegenwärtige Türkei.

Ruhig und realistisch

Semih Kaplanoglu bezeichnete seinen Stil als spirituellen Realismus. Aus dem Buddhismus und Sufismus bezieht er die Ruhe, mit der er seine Figuren und ihren Lebensraum beobachtet. Dabei ist er aber einem höchst präzisen Dokumentarismus verpflichtet. Die Arbeitsverhältnisse der Teepflücker, die sozialen Netzwerke im Dorf und die Ausgelassenheit am wöchentlichen Markttag verknüpfen sich auch zu einem stimmigen Porträt der Region.

Um den charakteristischen Lebensrhythmus spürbar zu machen, verzichtet Kaplanoglu vollständig auf den Einsatz von Filmmusik und technischen Hilfsmitteln: "Ich will nicht von der Wirklichkeit eines Ortes abrücken", sagt Kaplanoglu. "Wenn ich mich für einen Drehort entscheide, dann möchte ich dem genius loci auch so nahe wie möglich kommen. Deshalb verzichte ich so weit wie möglich auf künstliches Licht, sondern arbeite lieber mit einer offenen Blende oder setze Reflektoren ein", sagt der Regisseur.

Auseinandersetzung mit dem Leben

Wenn Semih Kaplanoglu die Poesie des Alltags zeigt, dann ist das aber nicht nur schön anzuschauen, es steckt auch ein ethischer Gedanke dahinter: Kein Leben ist uninteressant, man muss nur genau genug hinschauen.

Service

Berlinale
Kaplan Film - Bal