Saubere Technologien und grüne Zukunftsvisionen

Strom aus Gemüse

Nach dem Scheitern der Klimakonferenz in Kopenhagen nimmt sich nun das Festival Ars Electronica unter dem Titel "Repair" der Rettung unserer Welt an. Die Verbindung von Umweltschutz und Technologie steht dabei im Zentrum des Programms.

Kulturjournal, 03.09.2010

Großformatige Fotografien zeigen einen toten Meeresvogel am Stand in seinen verschiedenen Verwesungsstadien. Übrig bleiben am Ende nur jene Plastikgegenstände in seinem Bauch, an denen er gestorben ist. Darunter findet sich etwa auch ein Feuerzeug. Chris Jordans schockierende Bilder, für die kein Stück Kunststoff arrangiert wurde, sollen einstimmen auf die dringliche Notwendigkeit, mit der Reparatur unserer Welt zu beginnen.

"Unsere Gesellschaft hat sich selbst in eine Sackgasse manövriert. Aber ich bin zuversichtlich. Während der 70er Jahre hat jeder vorhergesagt, wir würden spätestens in den 80ern alle in einem Atomkrieg sterben. Nun schreiben wir das Jahr 2010 und viele Dinge haben sich bereits verändert", gibt sich der US-amerikanische Medienwissenschaftler Chris Bregler optimistisch.

Algen statt Erdöl

Wenn ein Müllteppich etwa vier Mal so groß wie Deutschland im Pazifik treibt und Ölkatastrophen die Schlagzeilen bestimmen, wäre die wohl naheliegendste Lösung, das ohnehin immer knapper werdende Erdöl durch eine saubere, umweltfreundliche Alternative zu ersetzen. Zum Beispiel durch Algen. Denn genau das hat der oberösterreichische Forscher Johann Staudinger im Sinn.

Plankton, jene unscheinbare Ursubstanz, die in ferner Vergangenheit unseren Planeten mit Sauerstoff angereichert und so bewohnbar gemacht hat, könnte seiner Meinung nach in fast jeder Hinsicht ein würdiger Erdöl-Nachfolger sein. Laut Johann Staudinger wären Algen in der Lage, unseren Planeten zu retten. Dank ihrer Fähigkeit, schädliches CO2 sehr effektiv in Sauerstoff umzuwandeln, könnten sie auch in Rauchgasreinigungsanlagen verwendet werden und die Schlote der Fabriken zu einem Relikt der Vergangenheit machen.

Felder auf Fenstern

Das Ars-Electronica-Festival wendet sich auf der Suche nach Auswegen aus den aktuellen Umweltkrisen an Künstler, Designer, Ingenieure und Wissenschaftler, die mit Idealismus an einer alternativen Zukunft arbeiten. Eingeladen wurde deshalb auch das New Yorker Projekt "Window Farm", das die Fenster von Wolkenkratzern in winzige Bauernhöfe verwandelt.

"Die Idee ist, diese Nutzpflanzen auf der Innenseite der Fenster, in den Wohnungen wachsen zu lassen. So kann man auch im Winter ernten, und die Fensterfarmen brauchen sehr wenig Patz, da sie vertikal angebracht sind und am Fenster entlang nach oben wachsen", sagt der US-amerikanische Künstler und Umweltaktivist Michael Zick Doherty.

Das Prinzip der vertikalen Landwirtschaft, also der platzsparende Anbau von Nahrungsmitteln in Wohnungen und Stiegenhäusern im Zentrum der Ballungsgebiete ist zwar nicht neu, neu ist allerdings der dringende Handlungsbedarf. Da im Jahr 2050 fast 80 Prozent der Weltbevölkerung in Ballungsgebieten leben werden und diese Weltbevölkerung nach vorsichtigen Schätzungen bis dahin wohl um etwa drei Milliarden Menschen anwachsen wird, muss die Landwirtschaft neue Wege gehen.

"Besonders wichtig ist auch, dass die Menschen, wenn sie ihre Nahrungsmittel selbst anbauen, wissen, woher ihr Essen kommt. Sie haben eine echte Kontrolle über die Qualität ihrer Nahrung", meint Doherty.

Bio-Batterien aus Kartoffeln

In Zeiten von Genmanipulation erscheint eine Kontrolle der Nahrungsmittelproduktion wohl auch immer wichtiger. Das wird etwa überdeutlich, wenn man den Erzählungen des dänischen Künstlers Mogens Jacobsen lauscht. Er experimentiert seit einigen Jahren im Rahmen eines Kunstprojekts mit Bio-Batterien aus Kartoffeln. Für gewöhnlich beträgt die Lebensdauer dieser Kartoffel-Batterien circa drei Wochen. In den Niederlanden hat er allerdings eine eigenartige Erfahrung gemacht:

"Es gibt ja Gerüchte, dass holländisches Gemüse genmanipuliert ist. Als ich meine Bio-Batterie in einer Galerie in Amsterdam installiert habe, lieferten die Kartoffeln dort zwei Monate lang Strom, sind weder ausgetrocknet noch schlecht geworden, es war wirklich beängstigend."

Die Hoffnung lebt

Im Rahmen des diesjährigen Ars Electronica Festivals beleuchten Künstler und Wissenschaftler die Schattenseiten unserer Konsumgesellschaft, präsentieren saubere Technologien oder grüne Visionen für eine bessere Zukunft. Doch sind wir zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch zu retten?

"Wir können uns auf jeden Fall nicht auf politische Systeme oder Regierungen verlassen, denn bis diese reagieren, ist es längst zu spät. Wir müssen selbst aktiv werden, und dank Internet ist die weltweite Vernetzung viel einfacher geworden. Es gibt dadurch bereits viel mehr informierte Menschen, und deshalb bin ich heute hoffnungsvoller als ich es früher war. Ich denke, wir können gerettet werden."

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