Buch

Die Geschichte einer Flüchtlingshelferin

Sie war ein Beispiel für gelebten Altruismus. Über viele Jahre war Ute Bock Anlaufstelle für Menschen, die sonst keiner haben wollte. Die Ö1 Redakteurin Cornela Krebs verbrachte viel Zeit mit Ute Bock und den Menschen um sie herum und beobachtete ihren Alltag.

Selbstloses Handeln

Es gibt ein Missverhältnis zwischen der Bekanntheit der Ute Bock und den Mitteln und Möglichkeiten, die sie zur Verfügung hat: Längst ist die Flüchtlingshelferin eine Säulenheilige der österreichischen Zivilgesellschaft. Ihr Name steht auf Plakaten, er ist Teil von Spendenkampagnen, man schmückt sich mit ihr - einerseits. Andererseits ist Ute Bock ist bis zum heutigen Tag vollständig auf private Spenden angewiesen, und kein wirklich einflussreicher Politiker hat sich je offen hinter sie gestellt.

Ute Bock ist die Antithese zum prominent besetzten Charity-Zirkus, wie er vor Weihnachten Saison hat. Das wird in Cornelia Krebs' Buch deutlich. Krebs hat dafür die Ich-Form gewählt, und dieses Ich ist Ute Bock selbst, die sicher nie eine Autobiographie geschrieben hätte. Krebs trifft den uneitlen und hemdsärmeligen Ton von Frau Bock genau. Woher die ihre Kraft und Motivation nimmt, sich schon so viele Jahre bis an den Rand der Erschöpfung für Menschen in Not einzusetzen, das bleibt auch für Cornelia Krebs ein Rätsel.

"Es treibt sie weder eine Religion, eine philosophische Anschauung oder eine politische Idee", erzählt die Autorin, "sie wirkt einfach aus sich heraus, sie kann es nicht aushalten, wenn es anderen Menschen schlecht geht. Sie wendet bis zum heutigen Tag ihre eigene Pension für dieses Projekt auf. Die Frau Bock hat kein Geld, sie isst Semmeln vom Vortag, wenn es sein muss - komplett selbstlos. Mir fällt keine historische Persönlichkeit ein, mit der man sie vergleichen könnte."

Wendepunkt Polizeieinsatz

Ute Bock wird 1942 in Linz geboren, der Vater ist Ingenieur und offener Nazi-Sympathisant, die Mutter Deutsche und eine stille Frau. Die Familie zieht bald nach Wien, dort lässt Ute Bock sich nach der Matura zur Erzieherin ausbilden und arbeitet ab 1969 im Gesellenheim in der Zohmanngasse im 10. Bezirk. Seit ihrer Pensionierung im Jahr 2002 betreibt Ute Bock eine private Unterkunft für Asylwerber, die obdachlos sind oder einfach nicht mehr weiter wissen.

"Die absolute Zäsur in ihrem Leben war mit Sicherheit die 'Operation Spring'. Ihr ist damals offenbar bewusst geworden, mit wem sie es zu tun hat und mit wem sie sich da auf einen wirklichen Wickel einlässt", erzählt Krebs. "Es haben schwarzafrikanische Jugendliche bei ihr im Haus gewohnt, die vom Jugendamt zu ihr geschickt wurden - sie hat dort ja niemanden versteckt! Es wurde ihr vorgeworfen, sie habe das Heim missbraucht, um dort Fremde unterzubringen. Diese 'Fremden' sind damals vom Jugendamt zur Frau Bock geschickt worden."

Spätestens seit diesem Tag im September 1999, als ein Sonderkommando der WEGA ins Wohnheim in der Zohmanngasse eindringt und zahlreiche afrikanische Bewohner mitnimmt, ist Ute Bock hierzulande ein Begriff. Im Zuge der "Operation Spring" wurden in Österreich hunderte Schwarzafrikaner verhaftet und viele von ihnen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Vorangegangen war dem eine Medienkampagne gegen angebliche afrikanische Drogenbanden vor allem durch die "Kronen Zeitung".

Das Schlimmste in jener Nacht war der Umgang der Beamten mit den Jugendlichen. Aus den Betten haben sie sie gezerrt, sie an die Wand gestellt und die Hände am Rücken gefesselt. Alle hatten noch geschlafen, bis auf einen jungen Mann, der sich in der Teeküche gerade etwas zu essen machte. Den haben sie gleich am Gang verhaftet. Dieser Umstand ist deswegen interessant, weil ihm später angelastet wurde, er hätte zweieinhalb Kilogramm Heroin aus seinem Fenster in den Hof hinunter geworfen, als er merkte, die Polizei ist im Haus. Aber erstens waren die WEGA-Männer leise wie die Mungos, und zweitens war er zu dem Zeitpunkt gar nicht in seinem Zimmer. Trotzdem ist er zehn Jahre in Stein gesessen. "Gott wird mir helfen!", hat er damals bei der Berufungsverhandlung dauernd gerufen. Genützt hat es nichts. Dabei hat der Bursch damals Heiligenbilder verkauft, keine Drogen.

Hoffnung auf bessere Zeiten

Die Geschichten und Anekdoten aus dem Leben der Ute Bock verdichten sich zum Bild einer Frau, die ganz aus sich selbst heraus handelt. Es macht Mut, dass es offenbar nicht die richtigen Umstände braucht, nicht Glaube oder Doktrin, die einen zum mitmenschlichen Handeln bringen. Das Buch verströmt genau diesen Mut - trotz der Geschichten von empörender Unmenschlichkeit, mit denen Frau Bock täglich konfrontiert ist.

"Eines treibt sie, und das ist die Hoffnung, dass es irgendwann besser wird. Wenn sie auf das nicht hoffen würde, könnte sie wahrscheinlich nicht weitermachen. Zu hoffen, dass wir die Talsohle der Grauslichkeiten bald erreicht haben, und dann kann es ja eigentlich nur mehr aufwärts gehen", erzählt Krebs. "Eine bescheide und eine naive Motivation, denn es schaut nicht wirklich so aus, dass die Talsohle der Grauslichkeiten schon erreicht ist. Der Zivildiener, der in dem Buch vorkommt, der hat in der ganzen Zeit, die er dort war, nicht einen einzigen positiven Asylbescheid erlebt - aber etliche Telefonate, wo wieder wer in Schubhaft gekommen ist, oder abgeschoben wurde. Solche Sachen hat er mitgekriegt, aber dass jemand bleiben konnte, das hat er noch nicht erlebt."

Eine Frage des Zugangs

Ute Bock versteht es, in allem den Zusammenhang zu sehen. Sie erkennt, dass Menschen nicht einfach nur sind, sondern gemacht werden - durch ihre Lebensumstände, ihre Herkunft, ihre Geschichte. Ute Bock ärgert sich maßlos, wenn ihr Geld aus dem Büro gestohlen wird. Doch ihre Wut ist nicht blind, sie sieht die Umstände, die den Dieb zu einem solchen haben werden lassen: Dass er nichts hat, dass er nicht arbeiten darf und legal nicht zu Geld kommen kann.

"Dass sie Kritik erfährt, das bekümmert sie, glaub' ich, nicht groß. Sie kränkt sich auch nicht - das ist ein Mensch, der lässt sich nicht kränken. Sie nimmt das mit Humor, es ist unglaublich, was die Frau alles mit Humor nehmen kann. In Situationen, wo einem nicht wirklich Lachen als erste Reaktion einfällt. Aber sie nimmt den Dingen damit die Spitze, und das ist wunderbar", erklärt die Autorin. "Und so wenig die Leute mitunter Deutsch verstehen - den Schmäh der Ute Bock versteht wirklich jeder. Auch wie sie mit Kindern umgeht - das ist einfach großartig. Ja, sie ist Mama Bock."

Cornelia Krebs hat sich für ihr Buch unzählige Male mit Ute Bock getroffen und viele Tage in deren Büro verbracht. Journalistisch gesehen sei diese Herangehensweise klar subjektiv, schreibt sie im Nachwort. Der Preis, in Zukunft eben keine journalistischen Beiträge mehr über Ute Bock gestalten zu können - den hat sie aber gerne bezahlt.

Service

Cornelia Krebs, "Ute Bock. Die Geschichte einer Flüchtlingshelferin", Molden Verlag

Molden Verlag - Ute Bock
Flüchtlingsprojekt Ute Bock