Ermittlung wegen Beweismittelfälschung

Vorwürfe gegen Verfassungsschützer

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist derzeit nicht nur wegen der familiären Verbindung eines hochrangigen, nunmehr ehemaligen Mitarbeiters zur rechtsradikalen Szene unter Druck: Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen Ermittler des Verfassungsschutzes. Es geht um den Vorwurf der Beweismittelfälschung.

Mittagsjournal, 09.11.2010

Vorwürfe gegen Unteroffizier

Ein Spionagekrimi sorgte vor drei Jahren in Österreich und Deutschland für große Aufregung. Ein russischer Staatsbürger und ein Techniker des österreichischen Bundesheeres wurden verhaftet. Der Vorwurf der Ermittler: Der im oberösterreichischen Hörsching stationierte Unteroffizier soll geheime Konstruktionsdaten des deutsch-französischen Kampfhubschraubers Eurocopter an den Russen verkauft haben und Kontakte zu einem deutschen Firmenmitarbeiter hergestellt haben.

Ermittlungen eingestellt

Während der Russe auf seine diplomatische Immunität verweisen konnte und umgehend nach Russland abgeschoben wurde, saß der Heeresmitarbeiter zwei Wochen in Untersuchungshaft. Seine Wohnung wurde durchsucht, zahlreiche Unterlagen von den Ermittlern des Bundesamtes für Verfassungsschutz beschlagnahmt. Bereits 2008 wurden die Ermittlungen gegen den Mann von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt. Begründung: die Vorwürfe seien verjährt.

Vorwurf gegen Ermittler

Doch dem betroffenen Oberösterreicher ist das nicht genug, er will seinen durch die Vorwürfe schwer geschädigten Ruf wieder herstellen. Denn aus seiner Sicht, wurden die Vorwürfe gegen ihn von den Ermittlern des Verfassungsschutzes und des Heeresnachrichtenamtes konstruiert. Eine entsprechende Anzeige des Unteroffiziers wird derzeit von der Staatsanwaltschaft Wien.

Amtsmissbrauch und Beweismittelfälschung

Bei der Staatsanwaltschaft Wien nimmt man die Vorwürfe sehr ernst. Es würden Ermittlungen gegen namentlich bekannte Beamte des BVT und des Heeresabwehramts wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Beweismittelfälschung, sagt Thomas Vecsej, Sprecher der Staatsanwaltschaft. "Es steht im Raum, dass Protokolle pflichtwidrig nicht verfasst, lückenhaft verfasst oder aber nicht den Ermittlungsbehörden weitergeleitet wurden bzw. dass Computerdateien absichtlich manipuliert worden wären."

Daten manipuliert?

Vor allem der Vorwürf der Beweismittelfälschung wiegt schwer. Hier geht es um eine Computerdiskette, die bei der Hausdurchsuchung beschlagnehmt wurde. Sie diente den Ermittlern als Hauptbeweismaterial. Allerdings kann der Bundesheeroffizier ein Privatgutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen vorweisen, in dem Manipulationen an der Diskette festgestellt worden sind. Und zwar genau bei den Dateien, die dem Unteroffizier von den Ermittlern als besonders belastend vorgeworfen werden. Außerdem konnte der Sachverständige feststellen, dass die Manipulationen passiert sind, als der Offizier in Untersuchungshaft gesessen ist.

Die Staatsanwaltschaft habe das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung mit konkreten Ermittlungsschritten beauftragt, schildert Thomas Vecsej. Die seien derzeit im Gange, und an den Ergebnissen werde man dann sehen, in welche Richtung weiter vorzugehen sei, so Vecsej.

Weitere Anzeige

Im Innenministerium will man zu dem laufenden Verfahren derzeit keine Stellungnahme abgeben. Interessant ist auch, dass bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft ebenfalls eine Anzeige gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes liegt. Auch hier lautet der Vorwürf, dass BVT-Beamte bei Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten entlastendes Beweismaterial zurückgehalten hätten, bestätigt der Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft Friedrich König. Das spannende dabei: Vor kurzem hat sich herausgestellt, dass zumindest zwei Beamte des Verfassungsschutzes in beiden Fällen mit den Ermittlungen befasst waren.

"Amt für Vertuschung"

Die Grünen werfen dem österreichischen Staatsschutz vor, auf einem Auge, nämlich auf dem rechten, blind zu sein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sei vielmehr ein "Amt für Verharmlosung und Vertuschung", so der Grüne Karl Öllinger: "Das ist nicht nur eine Frage von Inkompetenz - das vielleicht auch."

Mittagsjournal, 09.11.2010

Unbequeme Fragen

Karl Öllinger von den Grünen fragt sich: Warum gab es die inzwischen bekannt gewordenen 18 Hausdurchsuchungen erst Monate, nachdem - unter anderem von ihm selbst - immer wieder auf die Umtriebe der rechtsextremen Homepage Alpen Donau Info hingewiesen worden ist? Warum schafft es der deutsche Verfassungsdienst, ein neonazistisches Internet-Radio abzudrehen, dessen Server im Ausland steht; der österreichische aber ähnliches nicht mit der Homepage? Warum bleiben Aufmärsche von Neonazis oder zuletzt etwa von einer Abordnung der ungarischen Jobbik-Garden im Burgenland unbeobachtet?

Einschlägige Taten verdoppelt

Öllinger kritisiert auch die öffentlich getätigten Äußerungen, wonach rechtsextreme Vorgänge in Österreich eher rückläufig seien: Ganz im Gegenteil hätten sich die einschlägigen Taten von NS-Wiederbetätigung zwischen 2004 und 2009 verdoppelt, nämlich von gut 200 auf über 450. Das aber sei in den Verfassungsschutzberichten der vergangenen Jahre stets anders dargestellt worden, so der Grüne.

Öllinger vermutet Parteitaktik

Und was sollte der Grund für dieses Vorgehen, für dieses relative Stillhalten der Behörde sein? Karl Öllinger mutmaßt, dass parteipolitische Gründe dahinter stehen: Das rechte Eck bzw. die FPÖ, die zumindest in Teilen mit diesem Eck verbunden sei, sollte koalitionsfähig erhalten bleiben, so der Vorwurf..