Spitalsbetrieb gefährdet

Tschechien: Ärzte wollen weg

Ein Viertel aller Spitalsärzte in Tschechien droht mit der Kündigung. In der Aktion "Danke - wir gehen" protestieren sie gegen Überlastung und Unterbezahlung. Viele von ihnen denken ans Auswandern, der Spitalsbetrieb Tschechiens ist gefährdet. Dennoch will die Regierung nicht nachgeben - im Gegenteil. Es werden weitere Sparpläne gewälzt.

Mittagsjournal, 27.11.2010

Enormer Frust

Den Krankenhausärzten in Tschechien reicht es: zu viele Überstunden, niedrige Einkommen, ausbeuterische Dienstverträge. In einer landesweiten Aktion mit dem Namen "Danke - wir gehen" drohen nun die Ärzte per Ende Dezember zu kündigen, falls sich bis Jahresende nichts an ihrer Lage verbessert. Ein Viertel aller tschechischen Spitalsärzte, das sind knapp 4000, haben sich dieser Aktion bisher angeschlossen. Sollten sie ihre Drohung wahr machen, wäre der Krankenhausbetrieb in Tschechien mehr als reduziert. Die tschechische Mitte-Rechts-Regierung zeigt sich aber von der Aktion bisher unbeeindruckt. Premier Nečas hofft, dass die Ärzte letztlich nicht Ernst machen werden. Doch der Frust unter den tschechischen Krankenhausärzten, vor allem unter den jungen, ist enorm, und viele denken daran, ins Ausland zu gehen.

"Danke - wir gehen"

Ihren Ärger über die Lage zeigen die Ärzte auch in öffentlichen Aktionen, wie in Domazlice, einer Kleinstadt nahe Pilsen in Westböhmen. Auf dem Marktplatz hält ein alter bemalter Krankenwagen. "Dekujeme - odchazime", zu deutsch "Danke - wir gehen", steht in großen Lettern darauf. Vor dem Auto rufen zwei junge Ärzte: "Lassen Sie sich das letzte Mal von uns den Blutdruck messen bevor wir gehen", so die Einladung an die Passanten. Doch heute spielt das Wetter nicht mit. Bei dem Schneegestöber wagt nur eine hartgesottene Dame ihren Ärmel hochzuziehen. "Wir wollen mit dieser Aktion, die Menschen auf unsere miserable in den Spitälern aufmerksam machen", sagt Petr Igas, ein junger Internist.

Massenkündigung als Zeichen

"Das größte Problem sind die Überstunden", sagt der Mediziner. "100 bis 140 Überstunden im Monat gehören bei uns zum Alltag. Offiziell ist das zwar verboten. Aber es gelten hier ungeschriebene Gesetze. Finanzamt und Arbeitsinspektorat schauen einfach nicht genau hin." Das zweite Problem seien die sogenannten Bindungsverträge. Junge Ärzte werden von den Spitälern oft zwangsverpflichtet, auch nach der Facharztprüfung noch mindestens fünf Jahre um umgerechnet 700 Euro an dem jeweiligen Spital weiterzuarbeiten. "Das ist wie im Feudalismus", findet der junge Arzt. "Wir müssen ein Zeichen setzen und das ist diese Massenkündigung unsererseits", so der Mitinitiator von "Danke - wir gehen".

Gedanke ans Auswandern

Der Zuspruch von Seiten der Ärzte ist groß: 4.000 haben sich schon angeschlossen, das ist sage und schreibe ein Viertel aller Spitalsärzte in Tschechien. Einer von ihnen ist Zdenek Bytel, Chirurg am nahegelegenen Krankenhaus von Klatovy: "Es ist eine Schande, ich habe bloß einen Grundlohn von 25.000 Kronen, also um die 900 Euro. Das geht nicht." Zdenek hat Familie, zwei kleine Kinder. Will er wirklich ernst machen und die Kündigung durchziehen? - "Wenn sich nichts ändert, dann gehe ich. Ich bin bereit, mein Deutsch aufzupolieren und ins Ausland zu gehen. Aber diese Aktion ist auch ein Signal, damit sich die Lage der Ärzte in den Krankenhäusern in Tschechien verbessert."

Spitäler müssten zusperren

So wie Bytel will ein Drittel der Ärzte das Spital in Klatovy verlassen. Für den Direktor Jiri Vlcek wäre das eine Katastrophe: "Es wird für uns sehr kompliziert werden. Wir werden unsere Arbeit einschränken müssen, die Quantität und die Qualität." Manche kleine Krankenhäusern müssten vielleicht sogar schließen, meint er. Doch trotz der Schwierigkeiten, die mit Jahresende allein seinem Haus bevorstehen könnten, äußert der Direktor Verständnis für die Aktion der Ärzte: "Ich habe lange nachgedacht, habe viel mit den Gewerkschaftsvertretern gesprochen, und mittlerweile muss ich sagen, dass ich die Ärzte verstehe." Ihm selbst seien aber die Hände gebunden, sagt er. Es bräuchte neue Gesetze und den politischen Willen dazu.

Regierung will nur noch mehr sparen

Die konkrete Forderung der Aktivisten von "Danke - wir gehen": höherer Grundlohn, Eindämmen der Überstunden und ein Ende dieser Zwangsverträge. Die Mitte-Rechtsregierung von Premier Petr Necas hat sich bisher nicht dazu geäußert. Ihr jüngstes Sparpaket sieht sogar weitere Lohnkürzungen bei Spitalsärzten vor. "Die in der Regierung zweifeln wohl an unserer Ernsthaftigkeit", meint der junge Internist von "Danke- wir gehen".

Österreich hätte Interesse

Natürlich sei er kein Hellseher, sagt der Arzt. Er könne nicht sagen, wie viele von den 4.000 Ärzten letztlich ihre Ankündigung wahr machen werden und mit Jahresende gehen. Aber wenn er von sich und seinem Bekanntenkreis ausgehe, dann werde die Zahl wohl sehr hoch sein. Zumal sich inzwischen auch schon Alternativen für die Ärzte auftun. In Deutschland und Österreich ist man schon hellhörig geworden. Die gut ausgebildeten tschechischen Ärzte werden inzwischen auch schon umworben.