Japan will aus Kyoto-Vertrag aussteigen

Cancun: Gräben zwischen Arm und Reich

Bei der Weltklimakonferenz in Cancun beginnt die zweite Tagungswoche - und damit wird ab jetzt zwischen den Umwelt-Ministern der fast 200 teilnehmenden Staaten verhandelt. Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) trifft am Abend ein. Allerdings sind die Gräben zwischen den Ländern weiterhin tief. Einer der Hauptstreitpunkte ist nach wie vor, wie es mit dem Kyoto-Protokoll weitergehen soll.

Mittagsjournal, 06.12.2010

Konflikt: Arme gegen Reiche

Die Industriestaaten auf der einen Seite, die Entwicklungs- und Schwellenländer auf der anderen: dazwischen ein unüberwindbar wirkender Graben. Es ist dies ein Bild, das nach dem Scheitern des Klimagipfels vor einem Jahr in Kopenhagen eigentlich niemand mehr sehen wollte. Und doch ist der Konflikt Arme gegen Reiche zurück, beherrscht auch die Konferenz in Cancun.

Japaner wollen Kyoto-Abkommen begraben

Ausgelöst hat alles eine knappe Ankündigung der japanischen Delegation. "Wir unterstützen die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls nicht.", sagt Jun Arima, einer der japanischen Verhandler. Bestürzung, Entrüstung und heftiger Protest der Entwicklungs- und Schwellenländer ist die Folge.

Kyoto: Verpflichtungen nur für Industriestaaten

Die Japaner haben nämlich den so ziemlich heikelsten Punkt der internationalen Klimaverhandlungen berührt: Das Kyoto-Protokoll, das nur die Industrie-, nicht aber die Entwicklungs- und Schwellenländer verpflichtet, weniger Treibhausgase zu emittieren. Die Klimaschutzvorgaben im Protokoll laufen aber Ende 2012 aus. Nennen die Industriestaaten bis dahin keine neuen Zahlen für die geplante sogenannte zweite Verpflichtungsperiode, so bleibt das Kyoto-Protokoll als Vertrag ohne konkreten Inhalt zurück. Genau das will sichtlich Japan.

Für die internationale Klimapolitik wäre das eine Katastrophe, sagt Martin Kaiser, Klimaexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace: "Wenn Japan das Kyoto-Protokoll beerdigt, dann ist der UN-Prozess auf Jahre verschoben."

Weltgrößter Emittent Schwellenland China

Für die Entwicklungsländer ist nämlich genau die Aufteilung in Industrieländer mit konkreten Verpflichtungen und andere Staaten ohne derartige rechtsverbindliche Vorgaben entscheidend. Japan hingegen hält diese Aufteilung für überholt. Schließlich ist der weltweit größte Emittent inzwischen ein Schwellenland, China, argumentiert die japanische Delegation.
Eine japanischer Delegationsteilnehmer: "Das Kyoto-Protokoll ist kein effektives Instrument mehr, um die Emissionsreduzierung voranzutreiben. Nur noch 27 Prozent der weltweiten Emissionen werden durch das Protokoll abgedeckt. Und dieser Anteil wird in den kommenden Jahren weiter fallen. Also, um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen muss man alle großen Emittenten erfassen."

Kyoto: Einzig verbindliches Instrument

Ein Vertrag für alle also. Das ist ein derzeit allerdings kaum verwirklichbares Ziel. Nicht nur die Entwicklungsländer, auch die USA wollen sich vorerst nämlich nicht rechtlich binden. Und unter diesen Umständen sollte man den Kyoto-Vertrag nicht einfach fallen lassen, sagt Johannes Wahlmüller, der Klimasprecher der Umweltschutzorganisation Global 2000: "Warum Kyoto? Weil es das einzig rechtlich verbindliche Instrument ist. Wenn es das nicht gibt, gibt es nur noch lose Verienbarungen." Und was ist mit den großen Schwellenländern wie China? "die sagen, wir verpflichten uns nur dann, wenn sich auch die großen Industrieländer verpflichten. Dieses Signal ist jetzt essentiell."

EU für zwei getrennte Verträge

Die Europäische Union nimmt in der Frage inzwischen eine Kompromissposition ein - sie ist bereit, das Kyoto-Protokoll weiterlaufen zu lassen, allerdings nur dann, wenn die großen Schwellenländer in einem getrennten Vertrag ebenfalls Verpflichtungen zur Beschränkung ihrer Emissionen eingehen.

Russland und Kanada wollen aussteigen

Russland und Kanada haben sich hingegen Japan angeschlossen, sind also gegen eine Verlängerung des Protokolls. China hingegen fordert ein klares Bekenntnis aller zur Weiterführung von Kyoto.

Gleich belastender Vertrag für alle

Die Staaten müssen einen Kompromiss finden, der jedem gleich stark weh tut, meint Christiana Figueres, die Chefin des UNO-Klimasekretariats. Hoffnungen, dass dieser Kompromiss schon dieses Jahr in Cancun glücken könnte, hat Figueres allerdings nicht. So könnte der Konflikt über den Kyoto-Vertrag Fortschritten in anderen Bereichen der Klimaverhandlungen auch weiter im Weg stehen.