Kritk aus USA und EU

Chodorkowski: Empörung über Strafausmaß

Die neuerliche lange Haftstrafe für den russischen Kreml-Kritiker und früheren Öl-Milliardär Michail Chodorkowski ist im Westen auf scharfe Kritik gestoßen. Die USA bezeichneten die erneute Verurteilung am Donnerstag als "Missbrauch" des Rechtssystems, die Europäische Union zeigte sich "ernsthaft besorgt".

Mittagsjournal, 31.12.2010

"Politisch motivierte Strafverfolgung"

Das Urteil "lasse ernsthafte Fragen über die selektive Anwendung des Gesetzes aufkommen", sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums am Donnerstag in Washington. Der Fall sei beispielhaft für politisch motivierte Strafverfolgung. Die US-Regierung sei besorgt wegen der Berichte über schwerwiegende Verstöße gegen rechtsstaatliche Normen während des Prozesses in Moskau, sagte Außenamtssprecher Mark Toner. Die russische Wirtschaft werde sich nur entwickeln, wenn es auch ein unabhängiges Justizwesen gebe. Die deutsche Regierung bezeichnete das Urteil als Rückschritt auf dem von Präsident Medwedew eingeschlagenen Weg der Modernisierung Russlands.

EU "ernsthaft besorgt"

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte in Brüssel, die Europäische Union erwarte, dass Russland seinen internationalen Verpflichtungen nachkomme. Die EU sei "ernsthaft besorgt" und werde die Situation von Chodorkowski und Lebedew weiter "aufmerksam" verfolgen. Der Präsident des EU-Parlaments, Jerzy Buzek, zeigte sich "sehr enttäuscht". Das Urteil zeige die Grenzen des Rechtsstaates in Russland auf. Der Fall Chodorkowski sei ein "Symbol für alle Probleme" innerhalb des russischen Justizsystems, erklärte Buzek.

"Rückschritt"

Die britische Regierung rief Russland auf, die "Prinzipien des Rechtsstaates" zu respektieren. Das Verfahren gegen Chodorkowski werde von Großbritannien und einem Großteil der internationalen Gemeinschaft als "Rückschritt" angesehen, erklärte Außenminister William Hague am Donnerstagabend in London. In Frankreich rief eine Sprecherin des Außenministeriums Russland auf, den "Sorgen" hinsichtlich seines Justizsystems Rechnung zu tragen. "Die Konsolidierung des Rechtsstaates ist eine notwendige Bedingung für den Erfolg des Modernisierungsprozesses in Russland", hieß es.

"Schlag gegen die Rechtsstaatlichkeit"

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat die erneute langjährige Haftstrafe für den Kreml-Kritiker scharf kritisiert. Das Urteil zeige, dass der Prozess "politisch motiviert" gewesen sei, erklärte die Organisation am Freitag. Das am Donnerstag verkündete Strafmaß sei ein "Schlag gegen die Rechtsstaatlichkeit in Russland".

Bis 2017 im Gefängnis

Ein Moskauer Gericht hatte Chodorkowski und seinen mitangeklagten Geschäftspartner Platon Lebedew am Donnerstag zu 14 Jahren Haft verurteilt. Sie sollen 218 Millionen Tonnen Öl abgezweigt und illegal weiterverkauft haben. In einem ersten Prozess wegen Betrugs und Steuerhinterziehung waren sie bereits zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden, die im kommenden Jahr abgelaufen wäre. Da die erste Haftzeit angerechnet wird, müssen beide voraussichtlich bis 2017 im Gefängnis bleiben.