Experte warnt vor Ausgrenzung

Integration: Österreich ist gefordert

Bei der Integration von Muslimen muss sich Österreich mehr anstrengen - zu diesem Schluss kommt der Islamwissenschafter Mathias Rohe von der Universität Erlangen. Seine Studie zeigt, dass vor allem gut ausgebildete Muslime abwandern, was die Integration anderer Muslime gefährdet.

Mathias Rohe hat 2006 für das österreichische Innenministerium eine Integrationsstudie erarbeitet, die für große Aufregung gesorgt hat, bevor sie überhaupt veröffentlicht war. Rohe hatte die hier lebenden Muslime in vier Gruppen eingeteilt, und das hat für viel Kritik gesorgt. Zuletzt hat er in einer Publikation des "Neuen wissenschaftlichen Verlags" über den Islam in Österreich geschrieben und wieder provokante Thesen formuliert.

Morgenjournal, 09.05.2011

Nachteile für gut ausgebildete Migranten

Mathias Rohe ist nicht unumstritten. Zu islamfreundlich sei er, werfen ihm seine Kritiker vor. Aber er bleibt dabei: religiöse Minderheiten haben Rechte und Pflichten. Man könne etwa Muslime nicht daran hindern, sich eine religiöse Infrastruktur zu schaffen.

Viele Studien zeigen, dass sich vor allem junge und gut ausgebildete muslimische Migranten benachteiligt fühlen, sagt Rohe, und das gehe soweit, dass viele Österreich oder Deutschland wieder verlassen. Viele seien es leid, sich für ihren Glauben stets rechtfertigen zu müssen.

Scharia auch in Österreich angewandt

Für viel Empörung sorgt Mathias Rohe immer dann, wenn er darauf hinweist, dass die islamische Scharia längst an deutschen Gerichten angewendet wird und das als Ausdruck der Globalisierung bezeichnet. Ein Beispiel: Ein Gericht hat auch der Zweitfrau eines Irakers einen Aufenthaltstitel zugesprochen. Begründung: nach fünf Jahren Ehe in Deutschland sei es ihr nicht zuzumuten, alleine in den Irak zurückzukehren. Und auch in Österreich werde die Scharia längst angewendet, sagt der Islamwissenschafter. Der OGH gestand in einem Fall über internationales Unterhaltsrecht zwischen Österreich und Saudi-Arabien einer Ehefrau verkürzten Unterhalt zu. Das Gericht habe sorgfältig geprüft, ob das Ergebnis mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung übereinstimme.

Allerdings gelte das nur im Privat- und nicht im Strafrecht, sagt Rohe, und nur dann, wenn es mit Menschen- und Grundrechten vereinbar ist.

Appell an neuen Staatssekretär

Der neue österreichische Integrationsstaatsekretär Sebastian Kurz (ÖVP) sollte jedenfalls eine neue Debatte zum Thema Integration beginnen. Man sollte sich fragen, was stellen wir uns unter Integration vor, was verlangen wir voneinander und welches Maß an Pluralität ist wünschenswert, also eine Art Hausordnung.

Generell, sagt Mathias Rohe, sind viele Muslime sehr unsicher, was von der islamischen Tradition sie auch in Europa leben sollen und was nicht.

Link

Mathias Rohe, Wikipedia

Scharia in Einzelfällen

Die Scharia, das islamische Rechtssystem, kann in Österreich auf keinen Fall angewendet werden, das sagte die ehemalige Justizministerin Claudia Bandion-Ortner noch im Vorjahr. Mittlerweile - seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs im vergangenen Februar - ist klar: In Einzelfällen wird dieses Rechtssystem sehr wohl angewendet, unter anderem in Scheidungs- und Unterhaltsverfahren. Im Justizministerium sieht man das positiv, weil es Vorteile für die Betroffenen bringe.

Mittagsjournal, 09.05.2011