Der Neo-Regisseur im Interview

Karl Markovics über "Atmen"

Wenn es nach Karl Markovics geht, wird eines der bekanntesten Film- und Fernsehgesichter Österreichs künftig viel seltener vor der Kamera zu sehen sein - und wenn, dann am liebsten in eigenen Filmen. "Meine Hauptenergie will ich zur Zeit in die Sparte Regie/Drehbuch/Filmemachen stecken", erzählte der Neo-Regisseur im Gespräch mit der APA.

Mit seinem Regiedebüt "Atmen" ist Markovics in die renommierte Reihe "Quinzaine des Realisateurs" in Cannes eingeladen worden. Und viele weitere Stoffe befinden sich laut dem konzentrierten Arbeiter mit der Lust an der Herausforderung zumindest schon im Kopf und teilweise auch schon am Papier.

APA: Sie haben gerade eben die letzten Arbeiten an Ihrem Regiedebüt beendet. Wie war es, zum ersten Mal auch die gesamte langwierige Nacharbeit, die Postproduktion hautnah mitzuerleben? Haben Sie Zweifel befallen, ob das nach den vielen Jahren vor der Kamera nun wirklich das Richtige ist?
Markovics: Nein, interessanterweise in keinem Moment. Obwohl Sie natürlich Recht haben, dass mit dem Schneiden nach dem Abschluss des Drehs eine Arbeit begonnen hat, die ich so überhaupt nicht kannte. Die Setarbeit war mir vertraut - und ich war immer ein sehr neugieriger Schauspieler, den die Arbeit der anderen immer mindestens so interessiert hat wie die eigene. Und ich wusste immer, dass ich früher oder später selber Filme machen wollte. Ich suche immer nach der Arbeit, die mich in ein Gebiet führt, von dem ich nicht schon von vornherein ein Bild habe. Insofern war es die logische Konsequenz, irgendwann auch als Drehbuchautor und Regisseur diese Erfindung einer Parallelwirklichkeit in Angriff zu nehmen.

Wann kam dieser Punkt? Was war ausschlaggebend für den Entschluss, diesen Schritt zu wagen?
Ich habe immer schon geschrieben und Stoffe entwickelt, aber mehr für mich. Und es waren letztendlich auch Versuche, die immer auch an mir selbst gescheitert sind, an meinen eigenen Ansprüchen, weil ich aufgrund dieser Ansprüche nie an den Punkt gelangt bin, dass ich das mal jemandem gezeigt hätte, außer vielleicht meiner Frau. Die hat schlussendlich auch den Anstoß gegeben, dass mir bewusstgeworden ist, dass das auch eine gewisse Art von Feigheit ist. In dem Moment, in dem ich begriffen habe, dass Arbeit auch immer etwas mit "sich der Welt stellen" zu tun hat, ist es dann auch passiert. Dass es dann ausgerechnet dieser Stoff geworden ist, ist zugegebenermaßen merkwürdig, denn da gab's am Anfang eigentlich nur eine Grundidee...

Rechnet man, hofft man in irgendeiner Phase des Arbeitsprozesses damit, dass der Film dann möglicherweise einmal in Cannes seine Premiere haben könnte?
Ja, auf jeden Fall. Ich wollte den Film nicht machen, um mir etwas zu beweisen. Der hat dann ein paar Kopien, hat seine Achtungspremiere, und ich hab dann in meinem Portfolio 'Regisseur' drin stehen... Das war nicht das Ziel. Wenn es jetzt schon so lange gedauert hat, dass ich es überhaupt schaffe, auch rauszugehen mit Dingen, die mich parallel zu meinem Schauspielerberuf mindestens genauso lange fasziniert haben, dann möchte ich das auch auf eine Art und Weise machen, die möglichst viele Leute erreicht. Und gerade bei einem Projekt wie diesem ist ein großes Festival natürlich immer noch das Beste, was einem passieren kann.

Steigt so kurze Zeit vor dem Festival noch mal die Nervosität? Oder erleichtert das bisherige positive Feedback die Situation ein wenig?
Man kann hundertprozentig hinter seinem eigenen Werk stehen, aber ist trotzdem wahnsinnig verletzlich und anfällig. Das ist so wie mit eigenen Kindern, auch wenn dieses Gleichnis schon sehr überstrapaziert ist. Gerade, wenn man positives Feedback bekommt, steigt in solchen Momenten erst recht die Nervosität. Man merkt es vor allem in der Postproduktion, wenn man unter dem Fluch steht, sein eigenes Werk hunderte, tausende Male zu sehen, in jeder Einzelheit und jedem Detail, wo man so viele Momenterfahrungen hat und eine Szene fünfzehn Mal komplett anders erlebt. Und wo man merkt, von wie vielen Faktoren so ein Kinoerlebnis abhängig ist. Damit muss man einfach fertig werden. (lacht)

Angesichts dieser Leidenschaft, wenn Sie vom Filmemachen erzählen, ...
Genau darum geht es. Leidenschaft!

... dürfen wir davon ausgehen, dass Sie nicht zum letzten Mal hinter der Kamera gestanden sind?
Mit Sicherheit nicht. Ich quäle mich jetzt schon mit dem Gedanken, mich von diesem Film zu lösen, um den Kopf für einen anderen frei zu kriegen, absurderweise weil dieser jetzt so einen guten Start hatte und man davon ausgehen kann, dass die nächsten Monate ziemlich verplant sein werden. Aber ich hoffe, dass ich für mich trotzdem möglichst bald den Punkt finde, an dem ich weiß, ich kann so einen freien Kopf haben, um am nächsten Buch zu arbeiten. Man sagt immer (und das ist wohl auch so), dass der zweite Film mindestens so schwer ist wie der erste - wenn nicht sogar schwerer.

Welche Erwartungen gibt es an Cannes und darüber hinaus?
Wenn man schon auf so einem Festival ist, gibt es natürlich die konkrete Hoffnung, dass der Film in möglichst viele Länder verkauft wird. Er ist zwar sehr in einem realistischen österreichischen Milieu verhaftet; eine rein österreichische Produktion, die vom ganzen Idiom her nie mit irgendeiner Art von Kompatibilität geliebäugelt hat, die Sprache ist einfach Dialekt. Aber von meinem Gefühl her kann diese Geschichte überall verstanden und aufgenommen werden. In erster Linie geht es mir aber um Kinobesucher. Besucher, die 7,50 Euro für eine Kinokarte zahlen und sich bewusst für den Film entschieden haben. Und das fängt bei mir im eigenen Land an. Ich will mindestens 30.000 Besucher, das ist der Film auf jeden Fall wert.

Haben Sie das Gefühl, dass wir es in Österreich gerade mit einem neuen Aufbruch in der Filmszene zu tun haben?
Man kann es so sehen, auch wenn ich immer vorsichtig bin, gleich so eine Art von Strömung festzumachen. Aber dass das Selbstvertrauen von Menschen da ist, die wirklich etwas erzählen möchten, dies auch über das Medium Kino tun zu wollen und dafür auch die Möglichkeit und die Plattform bekommen, kommt sicher nicht von ungefähr. Die Einladung zum Festival hat mich auch für das Filminstitut und den Wiener Filmfonds und die anderen Förderstellen sehr gefreut, die ja durchaus Mut bewiesen haben, in einem Einreichungsverfahren, in dem ohnehin nur beschränkte Mittel zur Verfügung stehen, auf zwei absolute Neulinge zu setzen - und die laufen dann gleich in Cannes. Etwas Besseres kann kaum passieren.

Wie sieht es denn mit der schauspielerischen Zukunft aus? Wird die gerade ein bisschen außen vor gelassen?
Ich drehe gerade einen holländisch-belgischen Kinofilm, der im Zweiten Weltkrieg spielt. Der hat sich letztes Jahr schon ergeben. Aber ansonsten läuft das Schauspielen derzeit ein bisschen nebenbei, muss ich gestehen. Ich weiß, dass ich es immer noch möchte, lasse es aber noch mehr auf mich zukommen, als ich es früher schon auf mich zukommen habe lassen. Meine Hauptenergie will ich zurzeit in die Sparte Regie/Drehbuch/Filmemachen stecken. Was aber passieren kann, dass ich beim zweiten Film für mich eine Rolle habe. Das habe ich nie für mich ausgeschlossen, aber beim ersten Film hat es sich auch einfach nicht ergeben. Und ich wollte es auch genießen, einfach nur Regisseur zu sein.

Und dann eher Cameo-Auftritte a la Hitchcock oder größere Rollen?
Auf jeden Fall auch größere Rollen. Der österreichische Clint Eastwood! (lacht) Nur mein Gesicht hineinhalten als Schlussschmunzler, das brauch ich nicht. Aber den Eastwood finde ich großartig, was der für eine Entwicklung durchgemacht hat.

Welche Regisseure oder Regisseurinnen haben Sie denn sonst so beeinflusst?
Viele. Es sind viele, die mich in ihren unterschiedlichen Arten, Situationen und Dinge zu zeigen, beeinflussen, die mich dann durchaus auch in der Art von Bildlichkeit, die bei mir im Kopf entsteht, beeinflusst haben. Was dann herauskommt, immer in Zusammenarbeit mit dem Kameramann, ist eine neue und eigene Bildlichkeit, aber eben durchaus beeinflusst. Ich könnte in einem Atemzug die Brüder Dardenne, Terry Gilliam und Ernst Lubitsch oder Billy Wilder nennen. Die könnten kaum unterschiedlicher sein, aber das sind mit Sicherheit Filmemacher, die mich in unterschiedlichen Phasen meines Lebens erwischt haben und heute auch noch erwischen. Da gibt es noch einen Haufen anderer - und es kommen Gott sei Dank immer noch neue dazu.

Das Gespräch führte Daniel Ebner/APA