Eine post-jugoslawische Ansichtskarte über Sprachen

Wie aus einer Sprache vier wurden

Blickt man heute auf die offiziellen Amtssprachen der Nachfolgestaaten Jugoslawiens, so ist das Serbokroatische verschwunden. Statt dessen spricht man Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Montenegrinisch. Dennoch kann nach wie vor jeder jeden verstehen.

Alte Sprache - neue Namen

Heute wird der Begriff "Serbokroatisch" meist nur noch im historischen Zusammenhang verwendet, obwohl es sich bei dieser Sprache natürlich nicht um ein plötzlich ausgestorbenes Idiom handelt. Serbokroatische wird weiterhin verwendet, in gesprochener und in schriftlicher Form - seit den Kriegen der 1990er Jahre ist es lediglich nach den damals neu entstandenen Ländern benannt. Zu Bosnisch, Kroatisch und Serbisch ist jüngst noch Montenegrinisch dazu gekommen.

Um als eigenständige Sprache anerkannt zu werden, hat man zum Beispiel neue Buchstaben erfunden. Einer der bekanntesten lebenden Autoren aus dem ehemaligen Jugoslawien ist der in Belgrad geborene David Albahari. Seine Romane sind mittlerweile alle auch ins Deutsche übertragen worden. David Albahari ist in den 1990er Jahren aus Protest gegen Krieg und Ethnonationalismus nach Kanada emigriert und beschreibt in einem seiner Aufsätze das Serbokroatische als "verloren gegangene Sprache."

Wie eine Sprache künstlich gespaltet wird

Ab Ende der 1980er Jahre, insbesondere aber in den 1990er Jahren versuchten Linguisten, Historiker und Politiker die Varietäten des Serbokroatischen künstlich voneinander fort zu entwickeln. Die Gründe waren politischer Natur - in den Kriegen der 1990er Jahre galt es, sich von den nunmehrigen Feinden abzugrenzen.

Kroatien beispielsweise reaktivierte - auch im offiziellen Sprachgebrauch - eine Reihe von archaischen Begriffen. Und den Sprachgebrauch in Bosnien-Herzegowina prägten auf einmal viele dort bislang unverwendete Turzismen. Kommissionen für die Neu-Standardisierung der Landessprache der Nachfolgestaaten wurden gebildet.

Die Belgrader Neuauflage des unter Tito publizierten Wörterbuchs "Deutsch - Serbokroatisch" gleicht jener kürzlich neu herausgegebenen aufs Wort - bis auf den Titel. Er lautet nun "Deutsch- Serbisch" und nicht mehr "Deutsch - Serbokroatisch".

Alte, neue Sprache

Und wie definiert die Allgemeinbevölkerung ihre alte, neue Sprache? Die Antwort darauf fällt unterschiedlich aus, erzählt der Schriftsteller David Albahari. Die einen, so sagt er, empfinden sich als mehrsprachig, weil sie des Kroatischen, Bosnischen, Serbischen und neuerdings auch des Montenegrinischen mächtig sind. Die anderen, erzählt, David Albahari verschmitzt, haben eine neue Bezeichnung für die einst wie heute gemeinsame Sprache gefunden. Sie nennen sie nicht mehr "Serbokroatisch", sondern einfach "Naš jezik" - unsere Sprache.