Der Wolfsjäger

8. April 2017, 21:58

Es ist eine wilder Landstrich, in den Ransmayr und Pollack ihre Leser entführen: irgendwo ins Grenzgebiet zwischen Polen und der Ukraine, wo sie durch überwucherte Reste zerstörter Dörfer und Weiler streifen. Wo das hohe Gras aufgegebene Friedhöfe und abgebrannte Kirchen verbirgt, die von früheren nationalistischen Gräueln erzählen.

Der Wolfsjäger ist nicht der erste Text, den Ransmayr mit Pollak - er wurde heuer für sein Buch "Der Kaiser von Amerika. Flucht aus Gallizien" mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnet - verfasst hat. Wieder ist es eine literarische Reportage geworden.

Überraschende Wendungen

Die Geschichte "Der Wolfsjäger" erzählt von einer nur noch dünn besiedelten Gegend, die von ganzen Rudeln von Wölfen verunsichert wird. Ihre Gewohnheiten und Listen muss der Wolfsjäger kennen, wie etwa, dass sie im Schnee nur eine einzige Spur hinterlassen, wenn jedes Tier in den Pfotenabdruck des vor ihm laufenden tritt.

Doch dann die Überraschung: Der Wolfsjäger entpuppt sich als Frauenheld mit tätowierten Oberarmen, als Sohn eines reichen kommunistischen Funktionärs, der im klimatisierten Geländewagen nach Touristinnen Ausschau hält, die ihn mit seiner Wolfsfellmütze fotografieren wollen.

Entmystifizierung von Legenden

Auch die Geschichte "Der Heilige" entlarvt einen Österreicher, dessen Grab in Polen zur katholischen Pilgerstätte wurde, weil er angeblich Widerstand gegen die Nazis leistete, als naiven Deserteur. So räumt dieses Buch mit dem einen oder anderen Mythos auf, indem es zeigt, wie sich Menschen selbst zur Legende stilisieren. Gleichzeitig werden eindringlich die Reize der östlichen Ränder Europas vor Augen geführt.

"Der Wolfsjäger" ist ein sehr spannendes Buch über die Wildnis am Rande Europas.

Textfassung: Walter Gerischer-Landrock