Politologe Filzmaier zur Rücktrittsdebatte um Amon

"Es steht schlecht um die Demokratie"

ÖVP-Klubobmann Karl Heinz Kopf bekräftigte in der ZIB 2 am Dienstag die These von einer Verschwörung gegen Werner Amon. Er sieht offenbar die Staatsanwaltschaft als verlängerten Arm der Opposition und will sich Amon nicht aus dem Untersuchungsausschuss herausschießen lassen. Der Befund des Politologen Peter Filzmaier: "Es steht schlecht um die Demokratie in Österreich".

Morgenjournal, 14. 3. 2012

Peter Filzmaier im Gespräch mit

Gefahr für die Demokratie

"Durch den Diskurs rund um die Ermittlungen gegen den ÖVP-Fraktionsführer Amon im Korruptionsuntersuchungsausschuss steht es vor allem um die Demokratie schlecht", so der Politologe Peter Filzmaier im Ö1 Morgenjournal. "Denn es gibt nur zwei logische Erklärungsmöglichkeiten. Entweder die ÖVP, obwohl eine staatstragende Regierungspartei, ergeht sich in fragwürdigen Verschwörungstheorien oder die Vorwürfe stimmen, und die Justiz wäre korrumpiert. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Dass eine Regierungspartei von der Volkspartei zur Verschwörungstheoretikerpartei wird, oder dass wir ein massives Problem in der Justiz mit Amtsmissbrauch haben. Beides ist eine Gefahr für die Demokratie und eine dritte Möglichkeit gibt es nicht", sagt Politologe Peter Filzmaier.

Generell schlechte Rücktrittskultur in Österreich

"Wir haben die demokratiepolitisch bedenkliche Situation, dass für Politiker statt der Unschuldsvermutung in der öffentlichen Wahrnehmung, die Schuldvermutung gilt. Diesen Zustand hat allerdings die Politik selbst hauptverschuldet. Man kann die Argumente verstehen, dass es kaum zu kommunizieren wäre für Werner Amon, dass ein Rücktritt aus dem Untersuchungsausschuss, nicht auch indirekt als Schuldeingeständnis gewertet wird, aber niemand verlangt ja, dass er sein Mandat niederlegt oder generell aus der Politik ausscheidet.

Es geht um die Rolle des Fraktionsführers der ÖVP und hier besteht ein zentrales Befangenheitsproblem und das versteht die Bevölkerung vermutlich auch nicht. Wir haben schon generell eine schlechte Rücktrittskultur, gerade im Parlament. Da sitzen rechtskräfig verurteilte Personen weiter im Nationalrat, während beispielsweise - so plakativ der Vergleich sein mag - in Deutschland niemand geringerer als der Bundespräsident sofort zurückgetreten ist, als die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet hat. Und der bekommt sein Amt auch nicht zurück, wenn er sich irgendwann als unschuldig erweisen sollte", sagt Filzmaier.

Kopfs Attacken sind gefährlich

"Es ist leider ein geradezu Pawlow'scher Reflex der Politik geworden, wenn Vorwürfe oder Ermittlungen der Justiz gegen einen Politiker ruchbar werden, sofort mit dem Gegenvorwurf, die Justiz wäre korrumpiert oder sonst wie politisch motiviert zu reagieren. Ich halte das für extrem gefährlich. Noch haben wir in Österreich im Vergleich zu allen anderen EU Ländern um 20 Prozentpunkte höhere Vertrauenswerte in die Justiz. Die Frage muss man stellen: wie lange noch", so Filzmaier.

"Die Stimmungslage ist derzeit so: Drei Viertel der Bevölkerung sagen, alle Politiker - und zwar ausnahmslos - wären korrupt. Und noch viel mehr sagen, es hätte die Korruption massiv zugenommen. Das Dilemma ist aus meiner Sicht, dass die Politik und die Parteien und deren Strategen immer noch an Sofortlösungen glauben. Wenn aber so ein schlechtes Image bis hin zur Korruption über Jahrzehnte aufgebaut wurde, dann gibt es keine Lösung durch eine Presseaussendung oder innerhalb weniger Wochen, sondern man kann das auch nur durch jahrelange gute Sacharbeit wieder lösen."