Widerstand auch gegen vierten Anlauf

Kinderhilfe weiter umstritten

Nach vier Jahren Streit um ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz liegt nun der vierte Gesetzesentwurf vor. Geht es nach Familienminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), soll das Gesetz im Juli in Kraft treten. Das ist aber mehr als fraglich, denn die Länder leisten erbitterten Widerstand.

Morgenjournal, 13.4.2012

Inhaltlich nichts Neues

Andrea Kdolsky, Christine Marek, Verena Remler und jetzt Reinhold Mitterlehner (alle ÖVP) - sie alle haben bisher vergeblich versucht, ein neues Gesetz zu schaffen mit dem Ziel, Kinder vor Gewalt zu schützen und sie generell besser abzusichern.. Mitterlehner hat zwar die Startfinanzierung des Bundes verdreifacht, der Widerstand in den Ländern bleibt dennoch. Die Experten wollen sich aber nicht so sehr über Kosten unterhalten, sondern über die Qualität. Und die verbessere sich mit dem neuen Gesetz nicht, sagt Michael Gnauer von SOS-Kinderdorf: "Es ist einfach ein bisserl moderner formuliert, und es wird sich, wenn das wirklich am 1. Juli in Kraft tritt, für uns nicht wirklich etwas ändern."

Beauftragter, einheitliche Normen

Die Interessensgemeinschaft, der auch SOS-Kinderdorf angehört, fordert einen unabhängigen Kinder- und Jugendhilfebeauftragten, der sich um Kinder kümmert, die nicht bei ihren Eltern leben. Außerdem: Wie für ein Kind gesorgt wird, könne nicht davon abhängen, in welchem Bundesland ein Kind lebt.

Beispiel Gefährdungsabklärung: Wer entscheidet, ob ein Kind aus einer Familie genommen wird, wenn es dort z.B. misshandelt wird - eine Sozialarbeiterin alleine oder zwei Personen, die sich gemeinsam ein Bild machen? Dieses Vier-Augen-Prinzip ist im neuen Gesetzesentwurf eine Kann-Bestimmung. Für Experten, wie die steirische Kinder- und Jugendanwältin Brigitte Pörsch, ist das zu wenig. Sie verlangt eine verpflichtende Bestimmung.

Länder wollen stabile Finanzierung

Und auch das Kostenargument können die Experten nicht mehr hören. Es geht um etwas mehr als 10.000 Kinder, das müsse sich ein Staat leisten, sagt Brigitte Pörsch. Die Länder fürchten sich vor einer Kostenexplosion. Die zugesagten 11,7 Millionen des Bundes für drei Jahre seien nicht genug, sagt der zuständige Landesrat in Oberösterreich Josef Ackerl (SPÖ). So werde sich das Gesetz mit 1. Juli nicht ausgehen, die Bundesregierung müsse sich bewegen, so Ackerl: "Wir brauchen eine Dauerfinanzierung, anders können wir 35 zusätzliche Dienstposten nicht finanzieren." Er jedenfalls werde nicht zustimmen, und das sehen auch das Burgenland, die Steiermark und Tirol so.

Morgenjournal, 13.4.2012

Familienminister Reinhold MItterlehner (ÖVP) im Gespräch mit Paul Kraker

Mitterlehner an OÖ: "Ungeheuerlich"

Familienminister Mitterlehner weist die Kritik vor allem aus Oberösterreich scharf zurück. Der Bundesminister beharrt im Ö1 Morgenjournal darauf, dass die Kompetenz im Landesbereich bleibe und der Bund nur bis zum nächsten Finanzausgleich "über den Schatten springt". Dass Oberösterreich nun vom Bund mehr Personal verlange sei "ungeheuerlich". Der Bund habe seine Verpflichtung erledigt, "die Länder müssen hier in Vorlage treten. Und wenn sie das nicht tun, dann müssen sie sich beim nächsten Missbrauchsfall vorwerfen lassen, dass sie hier säumig waren."

"Anderes scheinbar wichtiger"

Den Ländern sei das Thema schon seit vier Jahren bekannt, so Mitterlehner. Sie hätten die Gelegenheit gehabt, budgetäre Vorbereitungen zu treffen. "Scheinbar sind andere Themen dort wichtiger". Dem Land Oberösterreich seien Dinge wie fachliche Standards, flächendeckende Bereitstellung sozialer Dienste und sozialpädagogischer Einrichtungen seit 1989 verpflichtend vorgeschrieben. "Das hätte man schon längst machen müssen und das will man uns jetzt vorrechnen", so Mitterlehner.

Die Wurzel des Problems sieht Mitterlehner darin, "dass es keine Lobby gibt, die im Landesbereich entsprechend auftritt, und die einzige Diskussion findet scheinbar auf der Bundesebene statt."

Mittagsjournal, 13.4.2012

Drei blockieren

Es sind die Bundesländer Steiermark, Oberösterreich und Burgenland, die sozusagen ein Veto gegen das Kinderhilfegesetz eingelegt haben. Sie wollen mehr finanzielle Zusagen vom Bund für zusätzliches Personal in der Jugendwohlfahrt. Und die Landespolitiker aus der Steiermark und dem Burgenland betonen, es werde ohnehin alles Mögliche getan, um Kinder in Familien und in Heimen zu schützen.

Andere haben aufgestockt

Tatsächlich ist schwer nachzuprüfen, ob in Oberösterreich, der Steiermark und dem Burgenland weniger für den Kinderschutz getan wird. Tatsache ist aber, dass etwa Vorarlberg und Tiroler, spätestens seit dem Tod der Buben Luca und Cain reagiert und Personal in der Jugendwohlfahrt aufgestockt haben - neuneinhalb Posten etwa in Tirol,sagt Landesrat Gerhard Reheis. Doch wie es mit dem schon vierten Kinderhilfe-Gesetzesentwurf weitergehen soll, ist derzeit unklar.