Schatten über Fußball-EM

Fall Timoschenko: Ukraine droht Fiasko

Der Fall der inhaftierten ehemaligen ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko wird immer mehr zu einem Politikum zwischen der Ukraine und der Europäischen Union. Besonders stark macht sich dabei Deutschland, das einen politischen Boykott der bevorstehenden Fußball-EM in der Ukraine erwägt.

Abendjournal, 30.4.2012

Merkel droht

Die Boykott-Drohung der deutschen Bundesregierung ist unverhohlen: Bundeskanzlerin Angela Merkel werde ihre Reise zu den Fußballspielen in der Ukraine vom Umgang im Fall Julia Timoschenko abhängig machen, so ihr Regierungssprecher heute in Berlin. Deutschland fordere weiterhin, dass die inhaftierte ex-Ministerpräsidentin, die an einem schweren Bandscheibenleiden erkrankt ist, sich einer medizinischen Behandlung ihrer Wahl unterziehen lassen dürfe. Deutschland hat eine Behandlung in der Berliner Charité angeboten.

Kiew erbost

Die Ukraine reagiert erbost auf die Deutsche Boykott-Drohungen. Das seien Methoden aus dem Kalten Krieg, so der ukrainische Außenamtssprecher Woloschin, der Sport würde zu einer Geisel der Politik.

EU-Debatte entbrannt

Der Vorstoß Deutschlands, die Absage einer Ukraine-Reise von Bundespräsident Gauck, hat die anderen europäischen Staaten in Zugzwang gebracht. In Italien ist nun eine Diskussion über einen möglichen Politiker-Boykott entbrannt. Außenminister Terzi sprach von großer Sorge angesichts der Vorgänge in der Ukraine.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, wie Merkel erklärter Fußballfan, will auf Reisen in die Ukraine derzeit verzichten. Nach jetzigem Stand hat Barroso keine Absicht in die Ukraine zu reichen, so seine Sprecherin heute in Brüssel. Die EU-Kommission hoffe auf Entwicklungen, die zu einem Ende dieser sehr ernsten Lage beitragen könne.

Dezidiert gegen einen Politiker-Boykott der EM-Spiele in der Ukraine spricht sich Dänemark aus, das derzeit den EU-Vorsitz innehat.

Polen im Dilemma

Polen, das neben der Ukraine als Co-Gastgeber der Fußball-EM in 6 Wochen auftritt, reagiert zurückhaltend. Man verfolge das Schicksal der inhaftierten ehemaligen ukrainischen Ministerpräsidentin genau. Grundsätzlich habe in Polen eine erfolgreiche Austragung der EM gemeinsam mit der Ukraine hohe Priorität, heißt es dazu heute aus Warschau.