Spannung vor allem um Griechenland

Bange Tage für die Finanzwelt

Als Schicksalswahlen für Europa haben viele Experten die Wahlen in Frankreich und Griechenland bezeichnet. Bange blickt die Finanzwelt vor allem nach Griechenland, wo eine schwierige Regierungsbildung und schlimmstenfalls eine Abkehr vom Rettungspakt droht. An den Börsen hingegen haben die Wahlergebnisse keine Überraschung ausgelöst.

Mittagsjournal, 7.5.2012

Astrid Petermann und Hanna Sommersacher haben bei Wirtschaftsexperten nachgefragt.

Eurozone droht Zerreißprobe

Nach Ansicht des Raiffeisen-Analysten Peter Brezinschek wird der Wahlausgang in Griechenland die Märkte nachhaltiger beeinflussen als der Wahlsieg des Sozialisten Hollande in Frankreich. Die Regierungsbildung in Griechenland werde äußerst schwierig werden. Sollte Griechenland das Rettungspaket noch einmal aufschnüren, könnte das zu einer Zerreißprobe für die Eurozone werden. Und dadurch steige auch das Risiko, dass Griechenland in die Staatspleite schlittert: "Griechenland muss sich seiner Verantwortung bewusst sein, dass die Gelder, die zur Aufrechterhaltung der griechischen Wirtschaft und der griechischen Einkommen in das Land strömen, nach wie vor geliehene Gelder sind."

Kein dauerhafter Kursrückgang

An den Finanzmärkten erwartet Brenzinschek zwar keine Hysterie. Besonders für den Euro sei Griechenland aber eine unsichere Variable. Das zeigt sich etwa daran, dass der Euro zum US-Dollar unter die 1,30-Marke gefallen ist. Auch wenn die Kurse derzeit im Minus sind - von einem dauerhaften Abwärtstrend für den ATX oder den DAX geht Brenzinschek allerdings nicht aus. Vor allem an den Anleihemärkten sei das Wahlergebnis bereits eingepreist. Für zehnjährige Staatsanleihen aus Frankreich, Italien oder Spanien haben sich die Zinsen im Laufe des Vormittags nicht erhöht.

Felderer: Griechen stehen vor Diktat

Das bestätigt die Erwartungen von Bernhard Felderer, dem Leiter des Instituts für höhere Studien. Er geht grundsätzlich nicht davon aus, dass die Wahlergebnisse zu einem politischen Richtungswechsel führen werden. Vor allem Griechenland könne sich das gar nicht leisten: "Griechenland hat überhaupt keine Wahl. Es ist vor das Diktat gestellt worden, entweder ihr macht das, oder wir finanzieren euch nicht mehr."

Wachstum durch Steuererleichterungen

Und auch Francois Hollande werde den Stabilitätspakt nicht komplett in Frage stellen. Er werde von Merkel höchstens kleine Zugeständnisse in Richtung Wachstum verlangen. Dieses dürfe man aber nicht durch neue Schulden erkaufen - sondern etwa durch Steuererleichterungen für mittlere und kleinere Unternehmen, denn das seien jene, die die Arbeitsplätze in Europa schafften, so Felderer.

Reformen nicht um jeden Preis

Auch Stefan Bruckbauer, der Chefökonom der Bank Austria, glaubt nicht, dass es zu einem Kurswechsel in der EU-Politik kommen wird. Leichte Kurskorrekturen hält er aber für dringend notwendig. Andernfalls komme man in einen Teufelskreis von Sparen, geschwächter Wirtschaft, sinkenden Steuereinnahmen und so weiter. "Das hat man jetzt begriffen und daher muss man gegensteuern." Strukturreformen ja, aber nicht um jeden Preis, sagt Bruckbauer. So sollten etwa Steuererhöhungen oder Einsparungen im Sozialsystem mit Budgetmitteln abgefedert werden.

Klare Linie gefordert

Dass der Wahlausgang in Frankreich und Griechenland Turbulenzen an den Finanzmärkten auslösen wird, glaubt Bruckbauer nicht. Das Ergebnis sei bereits vorhersehbar gewesen - und daher eingepreist. Allerdings werde mit der Nervosität der Investoren erst dann Schluss sein, wenn die Spitzen der EU eine einheitliche Linie vorgeben: "Es kann ja nicht sein, dass die Eurozone davon abhängig ist, wer wo zufällig gerade in welchem Land an die Regierung kommt."