Panorama von David Van Reybrouck

Kongo - Eine Geschichte

Der flämische Historiker und Dramatiker David Van Reybrouck hat am Montag, 7. Mai 2012, im Kreisky-Forum in Wien ein umfassendes Werk über den Kongo vorgestellt, ein 800-Seiten-Buch, entstanden nicht nur auf der Basis von Archivrecherchen, sondern auch von zahlreichen Reisen und Interviews.

Aus einigen dieser Interviews ist übrigens auch Van Reybroucks Stück "Mission" entstanden, das im Vorjahr bei den Wiener Festwochen zu sehen war.

Kultur aktuell, 08.05.2012

Der Kongo ist nach Algerien der zweitgrößte Staat Afrikas, direkt am Äquator, ein Vielvölkerstaat mit rund 70 Millionen Einwohnern, mit 400 Volksgruppen und ebenso vielen Sprachen und Dialekten, eines der ärmsten Länder der Welt - und Kongo ist ein Synonym für permanente Gewalt.

Die Herrschaft des belgischen Königs Leopold II. galt als eines der grausamsten Kolonialregimes, nach der Unabhängigkeit anno 1960 folgte die über 30 Jahre dauernde Gewaltherrschaft von Mobutu, eine Reihe blutiger Bürgerkriege und Stammesfehden. Zwölf Mal ist David Van Reybrouck in den Kongo gereist und er hat sich Zeit genommen: Monatelang hat er mit den Menschen dort in Dörfern und Städten gelebt, und er hat mit ihnen gesprochen: mit Politikern und Rebellenführern, mit Missionaren und Kindersoldaten.

"Als ich das erste Mal in den Kongo gefahren bin, hatte ich Angst, mich als Belgier zu erkennen zu geben, als Nachfahre der Kolonialherren", erinnert sich Van Reybrouck. "Zu meiner großen Überraschung habe ich aber gesehen, dass die meisten nostalgisch sind, was die Kolonialzeit anlangt. Und ein junger Mann hat mich gefragt: Wie lange wird unsere Unabhängigkeit noch dauern? Uns reicht es. Ja, die Menschen im Kongo sind sogar nostalgisch, wenn von Mobutu die Rede ist. Das ist schwer zu glauben - und natürlich ist es auch historisch falsch -, es sagt aber etwas aus über die Misere, in der das Land sich befindet und die Verzweiflung."

Erzählungen, Landschaftseindrücke und Porträts

Was David Van Reybrouck im Kongo erlebt und erfahren hat - biografische Erzählungen, Landschaftseindrücke und Porträts - hat er mit akribischen Archivrecherchen und Fakten untermauert und zu einem beeindruckenden Panorama zusammengeführt. "Ein Jahrhundertbuch" jubelte der "Spiegel", "ein Meilenstein der politisch-historischen Reportage" meinte die "Welt".

"Der Anstoß zu meinem Buch war die Frage: Wie kann es in einem Land, das so reich an Rohstoffen ist, so viel Armut geben und Hunger?", so Van Reybrouck. "Und ich bin draufgekommen: Es ist genau wegen dieser Ressourcen. Man kann den Kongo mit einem sehr alten kranken Mann vergleichen, der am Abend durch die Straßen von New York spaziert mit Taschen voller Diamanten. Wird er geheilt werden? Nein, er wird beraubt werden, wegen seiner Schätze. So ist es auch mit dem Kongo."

Nach den Wahlen 2006 - es waren die ersten nach fast einem halben Jahrhundert - habe sich ein neuer Aufschwung abgezeichnet, sagt David Van Reybrouck. Heute, sechs Jahre später muss man feststellen, dass die demokratische Kultur weiter geschrumpft ist, man weiß nicht einmal, wer die Wahl im Vorjahr gewonnen hat, sicher ist nur, dass die Gewalt fortschreitet.

Textfassung: Ruth Halle

Service

David Van Reybrouck, "Kongo. Eine Geschichte", übersetzt von Waltraud Hüsmert, Suhrkamp Verlag

Suhrkamp - Kongo