Massenprotest in Hongkong

In Hongkong haben zehntausende Menschen gegen den neuen Regierungschef und Chinas Herrschaft demonstriert. Es waren die größten Proteste seit acht Jahren. Sie richteten sich nicht nur gegen die Angelobung des neuen Regierungschefs, sondern auch gegen die Anwesenheit von Chinas Präsident Hu Jintao bei den Feiern zum 15. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China.

Morgenjournal, 2.7.2012

Aus Peking berichtet Jörg Winter.

Zehntausende Teilnehmer

Es war das deutlichste Lebenszeichen der Hongkonger Opposition seit vielen Jahren, und ein Ausdruck der zunehmenden Unzufriedenheit der Öffentlichkeit in der ehemaligen britischen Kronkolonie, die seit der Rückgabe an China vor genau 15 Jahren zahlreiche Sonderrechte genießt. 400.000 Demonstranten wollen die Veranstalter gezählt haben, die Polizei spricht von gut 60.000.

Sorge um Menschenrechte

Auslöser der öffentlichen Unmutsbekundungen sind neben explodierenden Wohnungspreisen und sozialen Missstände vor allem die grassierende Korruption sowie unfähige Politiker. Allen voran der neue Regierungschef von Pekings Gnaden, der das Vertrauen der Bevölkerung bereits vor seiner gestrigen Angelobung verspielt hat. Angereist zu den Feierlichkeiten war auch Chinas Präsident Hu Jintao. Der beteuert in seiner Rede, dass Hong Kongs Bürger heute mehr Freiheiten hätten als jemals zuvor. Doch die Demonstranten, die vom Ort der Feierlichkeiten ferngehalten werden, kann er damit nicht überzeugen: "Seit der Rückgabe Hongkongs an China machen wir immer mehr Rückschritte", meint ein Mann. "Die Politik hier wird von Peking gesteuert und unsere Menschenrechte werden zunehmend beschnitten."

Chinesischer Einfluss nimmt zu

Fest steht aber auch, dass die Hongkonger Freiheiten genießen, die Chinesen auf dem Festland vorenthalten werden, etwa das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit. Doch beklagen Journalisten den immer größer werdenden Einfluss Pekings sowie die zunehmende Selbstzensur der Hongkonger Medien. Auch waren es nicht die Bürger Hongkongs, sondern ein Gremium aus 1.200 Abgeordneten, viele von ihnen einflussreiche Geschäftsleute mit besten Verbindungen zu Pekings Führern, die den neuen unpopulären Regierungschef gewählt haben. Und auch wenn der selbst stets anderes beteuert – Gerüchte wollen nicht verstummen, dass er Mitglied der Kommunistischen Partei ist - was ihn in den Augen vieler Hongkonger Bürger nur noch unsympathischer macht. Die betrachten ihre chinesischen Brüder aus dem Festland ohnehin zunehmend mit Argwohn: weil immer mehr Festlandchinesinnen in Hongkongs Kliniken entbinden, was ihre Kinder automatisch zu Hongkonger Bürgern macht, weil chinesische Touristen in Hong Kongs Geschäften mit Geld oft nur so um sich werfen, in U-Bahn essen oder öffentlich spucken, was am Festland Gang und Gebe, in Hongkong aber verpönt und verboten ist.