Coco Rosie in der Arena Wien

Sie tragen sphärisch entrückte Klänge mit einer rotzigen Punkrockattitüde vor, kombinieren klassischen Operngesang mit kindlichem Gequengel, mischen Elektronik mit Harfen- und Flötenklängen. Mit ihrer Band CocoRosie haben die Schwestern Sierra und Bianca Casady einen eigenwilligen Sound geschaffen, der sich nur schwer in gängige Kritikerschubladen stecken lässt. Wohl ein Grund, warum die beiden von ihrer eingefleischten Fangemeinde geradezu vergöttert werden.

Diesen April bestritten die beiden US-Amerikanerinnen mit Wohnsitz in Paris das Eröffnungswochenende des Donaufestival Krems. Neben der Rockoper "Soul Life" wurde in Krems unter anderem das Tanztheaterstück "Nightshift" aufgeführt. Die Reaktionen von Kritik und Publikum auf diese Sonderprojekte der Casady-Schwestern fielen eher verhalten aus. Morgen spielen die Schwestern mit ihrem bewährten Bandprojekt "CocoRosie" in der Wiener Arena.

Die Rollen sind klar verteilt: Bianca, die Jüngere, singt mit kindlich quengeliger Stimme, ein bockiges Kind, dessen Unmut sich jederzeit in anarchischen Ausbrüchen entladen könnte. Sierra, die Ältere, die eine klassische Gesangsausbildung absolviert hat, lässt ihren glockenhellen Sopran im Hintergrund erklingen - eine verführerische Sirene, die die Zuhörer in sphärische Klänge entrückt. Mit dieser zugegebenermaßen ziemlich gewöhnungsbedürftigen Mischung haben die Casady-Schwestern seit 2004 in der internationalen Indie-Szene aufhorchen lassen. Gleich ihr erstes Album "La Maison de Mon Rêve", das der Legende nach in einer Badewanne am Pariser Montmartre entstanden sein soll, erreichte in Insiderkreisen Kultstatus. Freak-Folk hat man die Musik von CocoRosie bisweilen genannt, ein Etikett, mit dem Bianca Casady nichts anfangen kann:

"Man hat unsere Musik Freak-Folk und Anti-Folk genannt. Diese Etiketten bedeuten für Künstler nichts. CocoRosie nimmt Einflüsse aus verschiedenen musikalischen Richtungen auf. In unsere Musik fließen Hip-Hop-Elemente ein, eine Inspirationsquelle ist aber auch die europäische Oper. Wir bedienen uns überall und machen daraus etwas Neues. Sie können unsere Musik nennen wie sie wollen."

Es begann am Monmartre

Um CocoRosie ranken sich zahlreiche Legenden. Die Eltern sind Kinder der Post-Hippie-Ära: der Vater ein Wanderprediger und Schamane, die Mutter eine Lehrerin mit künstlerischen Ambitionen, die mit ihren Kindern quer durch Amerika reiste. Einen fixen Wohnsitz kannten die beiden in ihrer Kindheit nicht. Über zehn Jahre hatten sich die Schwestern aus den Augen verloren, bis Bianca aus der New Yorker Hipster-Enklave Williamsburg nach Paris fuhr, wo ihre ältere Schwester Gesang studierte. Sierra Casady erinnert sich:

"Es war wie im Traum. Bianca kam ganz spontan nach Paris. Plötzlich stand sie vor meiner Wohnungstüre. Sie kam herein und ging nicht mehr. Wir haben begonnen, gemeinsam Musik zu machen. Bianca und ich kommen aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen. Ich habe klassischen Gesang studiert, meine Schwester kommt eher aus dem Hip-Hop. Trotzdem teilen wir eine ästhetische Vision."

Ausgefallene Kreationen

Ein Konzert von CocoRosie - der Bandname setzt sich übrigens aus den Kosenamen zusammen, den die Mutter den beiden Mädchen gegeben hat - ist nicht nur ein musikalisches Erlebnis. Die Casady-Schwestern sind in ihrer Wahlheimat Paris als modische Trendsetterinnen bekannt. Vom Pariser Chic halten die beiden freilich wenig – eher schon von mehr als eigenwilligen Kreationen: Da wird schon mal eine ausgeleierte Männerunterhose über knalligen Leggings getragen, und Bianca Casady tritt gerne mit aufgemalten Schnurbart auf der Oberlippe auf. Ja, hier geht es zweifellos auch darum, Geschlechtergrenzen einzureißen - ein Anliegen, das die Schwestern nicht nur optisch, sondern auch mit ihren Texten transportieren. Etwa wenn CocoRosie Gott als Frau besingen.

Nachdem CocoRosie beim diesjährigen Donaufestival in Krems einen Ausflug in die Genres Popoper und Tanztheater gewagt haben, kehren sie morgen als experimentell-verspielte Popformation nach Österreich zurück.

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