"Japan. Außer Kontrolle und in Bewegung"

Wird die Katastrophe von Fukushima die japanische Gesellschaft langfristig verändern? Dieser Frage geht Ö1 Journalistin Judith Brandner in ihrem jüngsten Buch nach: "Japan. Außer Kontrolle und in Bewegung". Der Band ist im März zum Jahrestag der Katastrophe von Fukushima erschienen. Die Autorin liest daraus Mittwochabend im Wiener Völkerkundemuseum.

Morgenjournal, 1.8.2012

Bewegung gegen Atomlobby

Japanische Atomkraftgegner umzingeln das Parlament in Tokio. Zehntausende demonstrieren in Japan gegen Kernkraft. Japanische Umweltschützer gründen Grüne Partei - das sind drei Schlagzeilen aus den vergangen drei Tagen. "Es hat einfach eine Weile gedauert", sagt Judith Brandner. Sie ist überzeugt davon, dass da noch mehr in Bewegung kommt, weil die Menschen diese mächtige Atomlobby nicht mehr hinnehmen wollen.

Judith Brandner hat als Gastprofessorin in Nagoya gelehrt und sie hat mit den Bewohnern des Landes gesprochen: über das Erdbeben und den Tsunami, über Fukushima und das Leben nach und mit der Katastrophe. Sie hat zum Beispiel mit Menschen aus Ftaba gesprochen, einer kleinen Stadt, etwa zwei Kilometer vom Kraftwerk Fukushima entfernt.

Dort leben die Menschen bis heute in einer aufgelassenen Schule, mitsamt dem Bürgermeister. Bis heute wissen sie nicht, was aus ihrem Leben wird und wo sie sich fix niederlassen können. Viele hoffen, dass sie nach Ftaba zurückkehren können, berichtet Judith Brandner.

Menschliche Katastrophen

Die Journalistin hat auch Fukushima besucht, die Großstadt 60 km vom Kraftwerk entfernt. "Auf den ersten Blick ist dort ein völlig normales Leben", erzählt sie, "es ist keine Zerstörung zu sehen. Die Leute haben zum Teil zur Selbsthilfe gegriffen, um zu kontaminieren". Die Menschen spritzen mit dem Kärcher die Hausdächer ab, so Brandner. Doch bei jedem Regen werden die Blätter herunter gewaschen und das bringt neue radioaktive Belastung mit sich.

Viele Mütter mit kleinen Kindern haben sich mittlerweile entschieden zu gehen, erzählt Judith Brandner: "Da geht dann ein Riss durch Familien durch. Ehepaare müssen sich trennen. Die Scheidungsrate steigt. Es ist auf der menschlichen Ebene eine ziemliche Katastrophe, was sich dort abspielt."

Grüne Hoffnungsträger?

"Die Regierung hat keinen Plan und schlimmer noch: es gibt niemanden, der für die Atomkatastrophe die Verantwortung übernimmt", sagte der große japanische Autor Haruki Murakami, der Judith Brander eines seiner seltenen Interviews gegeben hat. Ein Ausstieg aus der Atomenergie wäre machbar, meint er und Judith Brandner fügt hinzu: "Es wäre gut, wenn die Grüne Partei bei der nächsten Wahl den Einzug ins Parlament schafft und dass der Druck so groß wird, dass sie endlich erkennen, dass die Atomenergie keine Lösung für das Land ist."

"Japan. Außer Kontrolle und in Bewegung". Das Buch von Judith Brandner ist im Picus Verlag erschienen. Mittwochabend liest die Autorin daraus im Wiener Museum für Völkerkunde.

Service

Picus Verlag Wien - Judith Brandner, Reportage Japan