"Meister und Margarita" neu übersetzt

Neuübersetzungen von Klassikern haben schon seit geraumer Zeit Hochkonjunktur - von Shakespeares Sonetten, über Melvilles "Moby Dick" bis zu den Klassikern der europäischen Moderne wie Yeats, Eliot oder Italo Svevo. Besondere Aufmerksamkeit galt zuletzt den großen Russen: etwa den gefeierten Neuübertragungen von Tolstois "Anna Karenina" und "Krieg und Frieden", von "Oblomow" oder auch den Cechov-Übersetzungen von Peter Urban.

Jetzt ist ein weiterer Klassiker wieder neu zu entdecken: Michail Bulgakows "Meister und Margarita", ein Roman, von dem weltweit unzählige Übersetzungen kursieren, dazu wissenschaftliche Abhandlungen, Kommentare und Publikationen, Verfilmungen, musikalische und theatralische Adaptionen - zuletzt hat ja Simon McBurney bei den diesjährigen Wiener Festwochen den Roman in englischer Sprache auf die Bühne des Wiener Burgtheaters gebracht. Jetzt gibt es also eine neue Übertragung ins Deutsche: Der deutsch-russische Autor Alexander Nitzberg, der sich bereits um eine Daniil-Charms-Werkausgabe verdient gemacht hat, hat in fünf Jahre langer Arbeit Bulgakows Opus Magnum übersetzt.

Kulturjournal, 17.8.2012

Auf einem Pfadfinderlager russischer Emigrantenkinder in Deutschland anno 1980 ist der damals 12-jährige Alexander Nitzberg "Meister und Margarita" erstmals begegnet. Elf Jahre hat Bulgakov an dem 600-Seiten-Werk gearbeitet - und als es 26 Jahre nach seinem Tod in der Tauwetterperiode erscheinen konnte, sorgte das damals in der Sowjetunion für ein wahres Erdbeben, sagt Alexander Nitzberg.

Veröffentlicht wurde der Roman in Fortsetzungen in der Literaturzeitschrift "Moskwa" - stark zensuriert. Unter der Hand wurden Abschriften der gestrichenen Stellen als streng verbotene "Samisdat"-Ausgaben verbreitet. "Meister und Margarita" hatte schon bald Kultstatus und die "nicht geheure" Wohnung Nr. 50 in der Sadowaja 302b, ein wichtiger Ort der Handlung, wurde zum inoffiziellen Treffpunkt der alternativen Szene.

Mehrere Erzählstränge

"Meister und Margarita" ist ein wahrhaft vielschichtiger und episodenreicher Roman: Im stalinistischen Moskau der 1930er Jahre, in der Zeit der starken Sowjetmacht tauchen die bösen Mächte in Moskau auf und mischen die kommunistische Ordnung kräftig auf. Elegant, zynisch und unbarmherzig entlarvt Woland als der Teufel eine kleinkarierte, verlogene und eitle Welt von Bürokraten, Spekulanten und Betrügern. Dabei gibt es ganz nebenbei den einen oder anderen Toten, seltsame Dinge passieren und letztendlich sind nur die Insassen der Irrenanstalt normal.

Dazu gibt es den Erzählstrang von der großen Liebe zwischen dem Meister und seiner Margarita. Und dann ist da noch der Roman im Roman - des Meisters literarische Arbeit "Pontius Pilatus", eine verfremdete Passionsgeschichte, die zur Zeit der Kreuzigung Christi in Jerusalem spielt, und die komplett abgedruckt ist. Die Frage nach den Machtverhältnissen wird da ebenso verhandelt wie die Politik und ihre Mechanismen und die großen Themen von Glaube, Liebe und Hoffnung, Künstlertum, Mut und Feigheit, Reue und Vergebung. - "'Meister und Margarita' ist eines der rätselhaftesten Werke der Weltliteratur", schreibt Alexander Nitzberg in seinem Nachwort. Und: Wie jedes Werk der Weltliteratur lässt es viele Lesarten zu.

Die "allgemeine" Lesart meint die politische Satire auf das stalinistische System. "Die hier empfohlene Lesart wäre die poetische", schreibt Alexander Nitzberg in seinem Nachwort.

Authentische Übersetzung

Alexander Nitzberg ist einem modernen Übersetzungsideal verpflichtet: Da geht es nicht darum, den Text zu glätten, sondern authentisch zu bleiben und dem Autor gerecht zu werden. Die Formulierungen sind bisweilen stärker, schärfer und expressiver als in der bisherigen Fassung. Nitzbergs "Meister und Margarita" ist ein großer Roman in alter neuer Frische.

Service

"Meister und Margarita". Der Roman von Michail Bulgakow aus dem Russischen übertragen und kommentiert von Alexander Nitzberg ist im Galiani-Verlag erschienen. Am Dienstag, am 21. August, bricht Alexander Nitzberg auf zu einer Lesereise durch den deutschsprachigen Raum - die erste Station ist Wien und zwar die Buchhandlung Frick International in der Schulerstraße im 1. Bezirk.

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