Zentralmatura: Problemfall Mathematik

Der Countdown zur allgemeinen Einführung der Zentralmatura läuft: Im Schuljahr 2013/14 sollen alle Kandidatinnen und Kandidaten in den Fächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen eine standardisierte Reifeprüfung absolvieren. Doch einige Lehrkräfte schlagen schon jetzt Alarm: Vor allem in der Mathematik stecke der Teufel im Detail.

Mittagsjournal, 10.1.2013

Erster Teil entscheidet über Durchkommen

Objektiv und für alle gleich soll sie sein, die Zentralmatura. Im Fach Mathematik besteht die schriftliche Prüfung aus zwei Teilen, deren erster de facto über Durchkommen oder nicht entscheide, und der zweite praktisch gar nicht mehr entscheidend sei. Das meint Gertrude Binder, Mathematiklehrerin am Oberstufenrealgymnasium Hegelgasse in Wien.

Dieses System sei pädagogisch nicht sinnvoll, meint sie: "Wenn man beim ersten Teil eine bestimmte Mindestpunkteanzahl erreicht, dann ist man automatisch positiv. Der zweite Teil entscheidet dann nur noch, ob es ein Sehr gut, Gut, Befriedigend oder Genügend wird."

Kompensation im zweiten Teil

Hans-Stefan Siller, Teamleiter für die Mathematikzentralmatura am Bundesbildungsinstitut BIFIE verteidigt die Zweiteilung: "Im ersten Teil werden verständnisorientierte Aspekte der Mathematik überprüft, im zweiten Teil deren Anwendung beziehungsweise Vernetzung. Ein Befriedigend ist nur dann möglich, wenn 100 Prozent des ersten Teils korrekt gelöst sind."

Er halte das doch für einen sehr hohen Anspruch. Die Aufgaben im zweiten Teil würden es ermöglichen, nicht erbrachte Leistungen im ersten Teil zu kompensieren.

Lehrpersonal in der Zwickmühle

Bleibt noch die Sorge von Mathematiklehrerin Binder: Wie soll der Lehrplan sinnvoll erfüllt werden, wenn nur ein kleiner Teil davon in der Zentralmatura abgeprüft wird?

Das ist nämlich schon bekannt. Binder: "Für uns Lehrer stellt sich das Problem, wenn man die anderen Bereiche im Lehrplan, die durchaus interessant und anwendungsorientiert sind, unterrichtet, und die Eltern einem dann vorwerfen, das Training für die Matura fehle – dann befinden wir uns in einer Zwickmühle: Lässt man Inhalte zum Teil aus, um diese neuen Prüfungsformate zu trainieren?"

BIFIE: "Gesamten Lehrplan abdecken"

Der Vorwurf dieses sogenannten "Teaching-to-the-Test"-Systems treffe nicht zu, kontert BIFIE-Mann Siller: "Die Dinge, die im Lehrplan festgehalten sind, waren unsere Grundlage bei der Erstellung dieses Grundkompetenzkatalogs. Was darüber hinaus geht, ist von den Lehrerinnen und Lehrern aufgrund ihrer Verpflichtung zur Einhaltung des Lehrplans, entsprechend bei den Schülerinnen und Schülern zu verankern."

Im Spannungsfeld zwischen pädagogischer Theorie und Anwendung im Unterricht werden wohl noch mache Zweifel bestehen bleiben. Daran nämlich, ob es sinnvoller ist, eine ganze Oberstufe lang konzentriert auf eine bestimmte Maturatestmethode hinzuarbeiten, oder doch Mathematik lieber als Wissensfach und nicht als Testgegenstand zu betreiben.