Nebenjobs der Höchstrichter im Visier

Die 14 Richter des Verfassungsgerichtshofs wollen ihre Nebentätigkeiten freiwillig offenlegen. Bis Ende März werden alle Nebentätigkeiten der Richter auf der Homepage des Höchstgerichts veröffentlicht. Für Kritiker ist die Offenlegung aber nur ein erster Schritt, dem das Verbot von Nebenjobs folgen müsse.

Mittagsjournal, 28.1.2012

Strenge Befangenheitsregeln

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, will zu dem Thema kein Interview geben. In der bevorstehende Session, wenn alle Verfassungsrichter zusammenkommen, um Fälle zu beraten und zu entscheiden, soll auch die Veröffentlichung der Nebentätigkeiten im Detail fixiert und dann sofort umgesetzt werden. Holzinger ist ein Verfechter der österreichischen Besonderheit, dass Verfassungsrichter weitere Jobs haben können. Und er verweist immer wieder auf die strengen Befangenheitsregeln, die es ja gebe. Wenn ein Verfassungsrichter etwa eine Anwaltskanzlei betreibt und es kommt in einem anhängigen Fall zu Kollisionen, dann gibt er den Fall ab - das sei ausreichend, so der Verfassungsgerichtshof.

"Erster Schritt reicht nicht"

Für den Verfassungsrechtler Theo Öhlinger reicht das nicht und auch nicht die neue Transparenz, die jetzt kommen soll. Öhlinger: "Das ist zweifellos ein Fortschritt, aber der ist glaube ich nicht ausreichend, weil er diese Nebenberuflichkeit nicht vollständig löst. Es gibt viele bessere Gründe dafür, dass man dieses Amt ohne einen weiteren Job ausübt auch im Hinblick auf mögliche Befangenheiten."

Richter als Steuerberater und Aufsichtsrat

Und da sind wir schon mitten im Thema. Auslöser für die Transparenz-Initiative Holzingers war die Bestellung des Linzer Steuerexperten Markus Achatz, der seit 1. Jänner Verfassungsrichter ist. Die Grünen haben die Tätigkeiten des ÖVP-nahen Achatz im Vorfeld der Bestellung thematisert und für mehr Offenheit Druck gemacht. Der Uni-Professor ist nämlich unter anderem auch Partner in einer großen Steuerberater-Kanzlei in Linz. Ein anderer Verfassungsrichter auf ÖVP-Ticket ist Christoph Herbst, der eine Rechtsanwaltskanzlei hat und im Aufsichtsrat von Wohnbaugesellschaften in Niederösterreich sitzt - aber auch in FIBEG, das ist die Vermögensverwaltung des Landes, die sich wegen der spekulativen Veranlagung von Wohnbaugeldern rechtfertigen muss.

Ausnahme Österreich

Für den Verfassungsexperten Theo Öhlinger ist das auch mit Blick aufs Ausland unhaltbar: Bei den nationalen Verfassungsgerichten bis hin zum französischen Conseil constitutienne, der ein halbpolitisches Organ sei, gebe es ganz strenge Unvereinbarkeitsbestimmungen. "Österreich ist hier einfach eine Ausnahme", so Öhlinger.

Die ÖVP wollte im Jahr 2010 noch Aufsichtsratsmandate für Verfassungsrichter verbieten - Anlass war die Ernennung der SPÖ-nahen Höchstrichterin Claudia Kahr zur Vorsitzenden des ASFINAG-Aufsichtsrats. Heute hält die ÖVP solche Unvereinbarkeitsregeln, die mit dem erwähnten Christoph Herbst auch einen Vertrauten von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll treffen würden, nicht mehr für notwendig. Das Gericht sorge ja jetzt für Transparenz, wird argumentiert.

Finanziell attraktiv genug

Der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger bleibt dabei: Eine Radikalreform müsse her. Die Gegenargumente bis hin zu der Behauptung, es würde dann keiner mehr Verfassungsrichter werden wollen, die lässt Öhlinger nicht gelten: "Der Beruf ist A) nicht so schlecht bezahlt und B) so interessant und auch ehrenvoll, dass man gewiss nach wie vor die bestqualifizierten Leute dafür gewinnen könnte."

"Nicht so schlecht bezahlt" -das verniedlicht sie Sache etwas: der Präsident kassiert rund 15.000 Euro im Monat, die Vizepräsidentin und die zehn ständigen Referentinnen beziehen rund 13.000 Euro im Monat, und normale Verfassungsrichter - das sind derzeit nur zwei von vierzehn - bekommen 7.500 Euro an sogenannter Entsch