Mali: Wie gefährlich sind die Islamisten?

Die Franzosen drängen die islamistischen Kämpfer in Mali immer weiter zurück. Wer sind die Islamisten in Nordafrika, wie gehen sie vor, gibt es enge Kontakte zwischen den einzelnen Gruppierungen und wie gefährlich sind sie? Antworten vom Islam- und Terrorismus-Experten Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Mittagsjournal, 29.1.2012

Terrorismusexperte Guido Steinberg im Gespräch mit Elisabeth Manas

Holtafel mit Campaufschrift

(c) BOTHMA, EPA

Rückzug aus Taktik und Not

Die Franzosen haben bei ihrem Vormarsch in Mali überraschend leichtes Spiel. Die Islamisten verschwinden einfach in der Wüste - aus Taktik, aber auch aus Not, sagt Steinberg. Die Islamisten seien ja keine Massenbewegung, sondern ein paar tausend Kämpfer, die den Franzosen von der Ausrüstung her taktisch und organisatorisch hoffnungslos unterlegen seien. Viele Gruppierungen hätten aber auch in den letzten Jahren gelernt, dass direkte Konfrontationen mit überlegenen Gegnern falsch sind und man sich dorthin zurückziehen soll, wo man sich gut auskennt.

Spielraum wird größer

Der Ursprung der gegenwärtigen Probleme in Nordafrika liegt laut Steinberg im Zusammenbruch des libyschen Gaddafi-Regimes und des libyschen Staates. Durch den Rückzug gut ausgebildeter Kämpfer und den Zufluss von Waffen habe die Tuareg-Revolte im Norden von Mali an Fahrt aufgenommen. In den nächsten Monaten werde sich der Bewegungsspielraum der Islamisten enorm vergrößern. Das Geld erhielten die islamistischen Gruppen durch ihre fast einjährige Herrschaft im Norden von Mali sowie aus organisierter Kriminalität und Geiselnahmen.

Keine globale Vernetzung

Dabei gebe es enge Kontakte zwischen verschiedenen Islamistengruppen in Nord-Mali, Algerien, Mauretanien und Niger, so Steinberg. Aber es gebe keine Gefahr einer strategischen Zusammenarbeit mit den Shabab in Somalia. Es sei kein globales Phänomen. Eine führende Organisation, etwa seitens der Al-Kaida, gebe es dabei nicht.

Intervention kommt zu spät

Das französische Eingreifen sieht der Terrorexperte grundsätzlich positiv. Denn die Gefahr eines islamistischen Staates, von dem eine terroristische Bedrohung für Europa ausgehen könnte, sei sehr real. Da habe man aus Afghanistan gelernt, wo die westliche Politik 1992 völlig ausgestiegen sei. Diesen Fehler wolle man in Mali nicht wiederholen, sagt Steinberg, "hat es aber nicht geschafft, rechtzeitig zu agieren und insofern ist die französische Intervention ein Beleg für das politische Scheitern - weil sie zu spät kommt in einem Moment der Not, als man nur noch reagieren konnte."