Streit um Drogensubstitutionstherapie

Die Polizei plant in einem Pilotversuch, den Drogenkonsum von Verdächtigen mittels Haartests nachzuweisen. Dieser Vorstoß ist aber nicht der einzige umstrittene Punkt im Anti-Drogen-Strategiepapier des Innenministeriums. Darin heißt es auch ganz klar: "Weg von der Substitutionstherapie", also der Behandlung von Suchtkranken mit Ersatzmedikamenten. Im Gesundheitsministerium und bei der Suchthilfe Wien sorgt das für heftiges Kopfschütteln.

Mittagsjournal, 12.2.2013

Gesundheitsministerium: "Unnötiger Rückschritt"

Der Vorstoß des Innenministeriums widerspreche völlig den suchtmedizinischen Erkenntnissen, sagt Johanna Schopper, Bundesdrogenkoordinatorin im Gesundheitsministerium: "Das ist ein unnötiger Rückschritt, der eine Behandlungsform, die wissenschaftlich unbestritten als wichtig und zielführend anerkannt ist, diskreditiert."

Würde man alle Drogensüchtigen, die mit Drogenersatzstoffen therapiert werden, in die Abstinenz zwingen, hätte das schwerwiegende Folgen, sagt Hans Haltmayer, der ärztliche Leiter der Suchthilfe Wien: "Diese Strategie bedeutet aus ärztlicher Sicht mehr Drogentote, mehr Infektionen mit HIV und Hepatitis und in Summe eine enorme Kumulation von Leid und eine enorme Ansammlung von zusätzlichen Kosten."

Innenministerium fordert Prüfung, was verschrieben wird

Das Innenministerium sieht im Missbrauch und zunehmenden Handel von Ersatzmedikamenten ein großes Problem. Oft würden Betroffene zu großzügig mit Drogenersatzstoffen versorgt, sagt der Direktor des Bundeskriminalamtes Franz Lang: "Ich glaube, es ist eine Prüfung erforderlich, in welchen Fällen, in welcher Menge und in welcher Frequenz man diese Medikamente verschreibt."

In seiner Antidrogenstrategie verweist das Innenministerium auch auf Studien. Diese würden belegen, dass nur fünf von hundert der Substitutionspatienten in Österreich den Drogenausstieg tatsächlich schaffen. Dieses Argument lässt der ärztliche Leiter der Suchthilfe Wien nicht gelten. Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation sei Sucht eine chronische Krankheit, die geringe Heilungsquote also nichts Neues: " Man könnte genauso sagen, schaffen wir die Behandlung des Bluthochdrucks ab, weil die Heilungsquote nur fünf Prozent beträgt. Das würde kein vernünftiger Mensch fordern."

Kein gutes Klima zwischen Ministerien

BKA-Direktor Lang hat aber noch andere Bedenken: "Unsere Informationen sagen uns, dass gewisse Dinge, die in Österreich verschrieben werden, nur noch in einem osteuropäischen Staat verschrieben werden und der Rest Europas schon längst von diesen Präparaten weggegangen ist."

Im Gesundheitsministerium verbittet man sich den massiven Eingriff in den Gesundheitsbereich. Die Drogenthematik sei zwar eine Querschnittsmaterie, aber mit klar definierten Zuständigkeiten, sagt die Bundesdrogenkoordinatorin im Gesundheitsministerium Schopper: "Ich sehe keine Zuständigkeit in irgendeiner Form, dass ein Innenministerium Aussagen zu Suchterkrankung trifft."

Die Kommunikation zwischen den beiden Ministerien dürfte derzeit nicht gut funktionieren. Von beiden Seiten heißt es, das jeweils andere Ressort sei Einladungen zu Gesprächen nicht gefolgt.