Brian Clegg zerlegt uns

Die Vermessung des Körpers

Nichts ist dem Menschen so nah, wie der eigene Körper und dennoch steckt er voller Rätsel. Und das nicht nur, weil er zu groß, zu klein, zu dünn, zu dick scheint oder mit anderen vermeintlichen Schwächen auffällig wird, sondern ganz einfach weil er das "faszinierendste System ist, das die Evolution hervorgebracht hat".

So sieht das zumindest der britische Wissenschafts-Autor Brian Clegg in seinem neuen Buch "Die Vermessung des Körpers". Darin unternimmt er eine Expedition durch den eigenen Leib und ergründet unglaubliche Phänomene von der Biochemie der Liebe bis zur Funktionsweise der fünf Sinne.

Haarige Angelegenheit

Die phantastische Reise beginnt mit Haarspalterei. Brian Clegg zeigt sich erstaunt darüber, dass das Haar, ein integraler Bestandteil des Menschen, tot ist. Ebenso wie Finger- und Fußnägel besteht es nicht aus lebenden Zellen. Der Begriff "Nährstoffe", der gerne für Haarpflegemittel verwendet wird, sollte also überdacht werden.

Ein typischer menschlicher Kopf hat ungefähr 100.000 Haare. Blonde haben zumeist ein wenig mehr, rothaarige etwas weniger. Vor knapp 100.000 Jahren verlor der Mensch den letzten Rest seiner ursprünglichen Ganzkörperbehaarung. Warum ausgerechnet am Kopf ein noch dazu stetig wachsender Teil übrig geblieben ist, lässt sich nur vermuten. Ist es ein natürlicher "Schutzhelm" für das Gehirn oder ein simpler Nebeneffekt, weil man nun Kleider trug und der Kopf ein wärmendes Fell am nötigsten hatte?

Auch wenn sie tot sind, bestehen Haare natürlich aus Atomen. Ein Mensch insgesamt aus 7 x 10 hoch 27 Atomen, anders ausgedrückt eine 7 mit 27 Nullen hinten dran. Eine unglaubliche Zahl, aber noch unfassbarer erscheint, dass ein Großteil der Atome, aus denen wir bestehen, älter ist als gedacht und aus Gegenden stammt, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Zahlen und Fakten

Die Reise zur Körpervermessung führt zunächst weiter über die Blutbahn. Hier erfährt man, dass rote Blutkörperchen in der Regel vier Monate lang alle 20 Sekunden durch den Körper schießen, bevor sie ausgetauscht werden. Diese Aufgabe übernehmen Milliarden von weißen Blutkörperchen.

In einer der nächsten Reisestationen, dem Magen, verliert sich Brian Clegg in Details. Neben der ausführlichen Beschreibung der Wirkung der Hydrochloridsäure liefert er in diesem Kapitel etwas weit hergeholte, aber nicht minder interessante Fakten. Zum Beispiel, dass im Vertrag von Versailles festgelegt wurde, dass der deutsche Markenname "Aspirin" in den Unterzeichnerländern beliebig verwendet werden darf. Noch heute werden jährlich 35.000 Tonnen Aspirin konsumiert.

Weiters wird dem Grund für unsere Liebe zu Schokolade nachgegangen: Der Inhaltsstoff Theobromin, der eine ähnliche Wirkung wie Koffein hat, scheint zusammen mit Zucker ziemlich exakt bei der Höhe unserer Mundtemperatur zu schmelzen.

Beine aus Gummi

Außerdem wird das Känguru-Rätsel gelöst. Lange Zeit konnte sich die Wissenschaft nicht erklären, warum die australischen Beuteltiere mehr Energie verbrauchen können, als sie durch die Nahrung aufnehmen. Was die Biologen allerdings lange Zeit übersahen, war, dass die Beine des Kängurus funktionieren wie ein springender Gummiball.

Brian Cleggs Reise erinnert stark an Bill Brysons Bestseller "Eine kurze Geschichte von fast allem". Clegg schweift ständig vom Thema ab, pickt sich interessante Details aus neuesten Studien und hält so den Leser bei Laune, obwohl dieser den Faden wahrscheinlich längst verloren hat.

Schnittstellen zwischen Mensch und Umwelt

Das gesammelte Zahlenmaterial alleine ist schon verblüffend: Auf einer menschlichen Zunge befinden sich 2.000 bis 6.000 Geschmacksknospen. Hunde können Gerüche erkennen, die über eine Million Mal stärker verdünnt sind als alles, was wir Menschen riechen können. Unser Gehirn ist ca. 1,5 Kilogramm schwer und enthält etwa 100 Milliarden Zellen.

Der Autor erklärt die Sinne als hochsensible Schnittstellen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt ebenso plausibel, wie etwa das Phänomen, dass wir mit unseren Augen in die Vergangenheit sehen können. Da das Licht der Sterne bekanntlich eine bestimmte Zeit benötigt, um bis zu uns zu gelangen, sehen wir die strahlenden Himmelskörper, wie sie waren, als das Licht sie verließ, und nicht, wie sie jetzt sind. Als Beispiel dient der ca. vier Millionen Jahre alte Stern Alnilam aus dem Sternbild Orion.

Experimente auf der Homepage

Brian Cleggs' Reise durch den Körper ist ein lohnendes Experiment, um nicht nur die Mechanismen der menschlichen Biologie, sondern auch die Zusammenhänge mit Evolution und Universum verstehen zu können.

Zusätzlich zum Schmökern kann man auf der Internetseite http://www.universeinsideyou.com - so der Originaltitel - zehn Experimente durchführen, die vom Gehen auf Vanillesauce ohne Einsinken bis zu diversen optischen Täuschungen reichen. Der nächste Blick in den Spiegel könnte nach der Lektüre jedenfalls zu denken geben.

Service

Brian Clegg, "Die Vermessung des Körpers. Warum unsere Haut sehen und die Nase durch die Zeit reisen kann", aus dem Englischen übersetzt von Henning Dedekind, Hanser Verlag

The Universe Inside You
Hanser - Die Vermessung des Körpers