It's All in the Mix

In den frühen 1970er Jahren begannen in New York lebende DJs aus Jamaika, Soul und Funk Platten auf höchst innovative Weise zu verwenden. Sie nahmen nur die "Breaks", die rhythmischen Zwischenstücke und Übergänge, und reihten sie aneinander, indem sie die gleiche Platte auf zwei verschiedenen Plattenspielern laufen hatten, und die Passage zum richtigen Zeitpunkt zurückzogen und wieder abspielten, so dass die Instrumentalpassage verlängert wurde. Darüber sprachen sie kurze Ankündigungen oder auch Ansagen ans Publikum in gereimter Form und unter Verwendung von Wortspielen - das Rapping. So entstand der Hip Hop.

Schon Ende der 1970er Jahre hatte das Trio Sugarhill Gang mit dem Song Rapper's Delight den ersten weltweiten Hip Hop Hit. Die rhythmische Grundlage bildete die Bass line von Good Times, einem Disco-Hit von Chic, geschrieben von Nile Rodgers. Obwohl man argumentieren kann, dass der Song seine rhythmische Energie vor allem der Bassfigur verdankt, ist Rappers Delight eine eigenständige Schöpfung, wie sogar Nile Rodgers zugab.

Plattenspieler

(c) ORF

Das Stück schaffte es 1979 in Österreich auf Platz fünf der Ö3-Hitparade. Der frühe Hip Hop und lautmalerische Wortspiele in der Art von "I said a hip, hop, the hippie, the hippie to the hip hip hop" inspirierte “unseren” Falco zu "Der Kommissar geht um". In seinem unnachahmlichen Stil rappte Falco wienerisch, deutsch und englisch mixend und kreiierte damit zugleich seine eigene Kunstsprache, falconesisch.

Hip Hop ist seither den Party-Kellern der Underground Klubs entwachsen und zu einer universalen Musiksprache geworden, die auf allen Kontinenten lokale Abwandlungen und Weiterentwicklungen erfährt. Die von den schwarzen Hip-Hop-Künstlern aus der Bronx erfundene Kulturtechnik des Samplens, Loopens und Mixens ist die Kulturtechnik schlechthin im Informationszeitalter.

Was an den Plattenspielern großes manuelles Geschick und rhythmisches Feingefühl erforderte, kann heute von jedem Kind in wenigen Minuten am Computer gemacht werden. Die digitalen Technologien und das Netz erlauben es, existierende Songs, aber auch Bilder oder Filme zu nehmen, und diese zu verändern oder neue Verbindungen zwischen ihnen herzustellen. Die dazu nötigen Technologien sind relativ billig und zumindest in den Industrieländern ubiquitär, also überall vorhanden.

Aber auch in den Slums brasilianischer Großstädte "kaufen die Menschen Computer wie Bananen", erklärte der Mediensoziologe Bernardo Sorj 2007 im Oe1-Interview mit dem Autor. Mit digitalen Werkzeugen erfinden sie neue Musikstile wie etwa "Techno-Brega", wie man im Film "Good Copy, Bad Copy" sehen konnte+.

Das grenzenlose Kreativitätsversprechen der Remix-Kultur wird nicht nur gebremst sondern blockiert, durch bestimmte Industriezweige und Großkonzerne, die es durch ihr Verhalten allzu einfach machen, sie als Gegner der kulturellen Freiheit zu identifizieren. Die strukturelle Hürde liegt aber im Urheberrecht. Dieses entstand zeitgleich mit den Anfängen des modernen Industriekapitalismus im 18. Jahrhundert. Es entwickelte sich zusammen mit diesem weiter und nahm dabei immer die Form an, die der jeweiligen Epoche und dem damit verbundenen "techno-ökonomischem Paradigma" entsprach.

Das heutige Urheberrecht und verwandte Rechte (Copyright, Leistungsschutzrechte) sind ihrem Wesen nach ein einziges Rückzugsgefecht. Der Ausgangspunkt ist immer noch der des gerade abgelaufenen techno-ökonomischen Paradigmas der industriellen Massenproduktion und seines Pendants im kulturellen Bereich, der Kulturindustrie. Kulturelle Produkte werden als Waren betrachtet, die an einen festen stofflichen Träger gebunden sind: das Buch, die Platte, die Videokassette, CD, DVD. Diesem Ansatz wurde aber durch die digitale Revolution die Grundlage entzogen. Es ist wesentlich einfacher, billiger und effizienter, kulturelle Werke als Files über das Internet zu verbreiten. Am besten eignen sich dazu sogenannte "P2P-Technologien"


Es hat sich aber nicht nur die materielle Grundlage geändert, auch der Anwenderkreis der Remix-Kulturtechnik ist gewachsen. Ein Remix kann Teil einer Schulaufgabe sein, eine Liebeserklärung, ein Bild auf einer Facebookseite, eine Bewerbungsmappe. Alle sind nun zumindest potenzielle Mixkünstler. Sobald das Produkt der Kreativität aber die eigene Festplatte verlässt, geraten auch Privatpersonen in die Rasterfandung der Copyright-Jäger. Und dass das so bleibt, dafür sorgt ein Konglomerat an Institutionen und Interessen, von AutorInnen über Verwertungsgesellschaften und Interessensverbände, die sich alle des Urheberrechts bedienen, um sich beherzt dem Zeitenwandel entgegenzustemmen.

Text: Armin Medosch, Autor und Medienwissenschaftler

Service

+ Film "Good Copy, Bad Copy", Dänemark 2007
Good Copy, Bad Copy