Leichnam Nerudas wird exhumiert

Knapp 40 Jahre nach dem Tod des chilenischen Dichters und Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda wird heute sein Grab in seinem langjährigen Wohnort Isla Negra an der Pazifik-Küste geöffnet. Man will klären, ob der Poet am 23. September 1973 wirklich an Krebs verstarb oder ob der überzeugte Kommunist und Weggefährte des gestürzten Präsidenten Allende nach dem Militärputsch von den neuen Machthabern ermordet wurde.

Mittagsjournal, 8.4.2013

Tod durch Injektion?

Pablo Neruda war schon zu Lebzeiten eine Kultfigur der Linken, ein Mythos, den die chilenischen Kommunisten von heute nur allzu gerne wiederaufleben lassen wollen. In Manuel Araya haben sie einen nützlichen Handlanger gefunden: Araya war der langjährige Chauffeur und Sekretär des Liternaturnobelpreisträgers und er ist felsenfest davon überzeugt, dass Neruda ermordet wurde. Die offizielle Todesursache Prostatakrebs hält er für falsch. Araya hat es sich sozusagen zu seiner Lebensaufgabe gemacht, dass der Tod des kommunistischen Poeten neu untersucht wird: "Es ist mein einziger Wunsch, dass wir die Wahrheit ans Licht bringen - denn es ist die Wahrheit, dass Neruda nicht eines natürlichen Todes gestorben ist. Ein unbekannter Arzt hat ihm eine Injektion verabreicht", so Manuel Arraya. Er hat fast bis zuletzt am Sterbebett seines Chefs ausgeharrt.

Neruda hatte ihn zu sich ins Krankenhaus gerufen, weil er für den nächsten Tag die Erlaubnis hatte, nach Mexiko auszureisen. "Aber um vier Uhr kam plötzlich dieser Arzt mit der Spritze und um zehn Uhr war Neruda tot. Das trage ich seit Jahren mit mir herum, ich wollte die Wahrheit erzählen bevor ich sterbe", so der Chauffeur. Und letztendlich haben Araya und die Kommunisten einen Richter von der Notwendigkeit überzeugen können, dass der Leichnam Nerudas exhumiert wird.

Stimme zum Schweigen gebracht

Immerhin sei Neruda so wie der gestürzte Staatschef Salvador Allende durchaus ein Angriffsziel für Diktator Pinochet gewesen , argumentiert der Rechtsanwalt, der die Exhumierung beantragt hat. Und er nennt ein Motiv: Neruda habe am nächsten Tag nach Mexiko ausreisen wollen. Die Junta habe offenbar eine letzte Chance gesehen, um die prominente Stimme des Protestes zum Schweigen zu bringen. Darüber hinaus sei die Patientenakte des Poeten verschwunden.

Wie auch immer, Pablo Nerudas Liebesgedichte sind weltberühmt, sein Canto General, ein Gedichtzyklus über den Kampf Lateinamerikas gegen den Kolonialismus, wurde vom griechischen Komponisten Mikis Theodorakis zu einem Oratorium vertont. Nerudas extreme politische Einstellung, sein oft blinder Fanatismus aber werfen Schatten auf sein literarisches Lebenswerk. Denn der Nobelpreisträger hat auch einen Massenmörder besungen: Josef Stalin. Er widmete ihm eine Ode und wollte die Verbrechen des sowjetischen Diktators lange nicht wahrhaben. Die späteren Enthüllungen über Stalin hätten Pablo Neruda schockiert, heißt es. Er habe sich von ihm auch distanziert, aber doch nur sehr halbherzig.