Gedenktag: Neue Bedeutung für 8. Mai

Erstmals findet heute auf dem Wiener Heldenplatz ein "Fest der Freude" statt - zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs am 8.Mai 1945. Ausdrücklich wird dabei die Befreiung Europas von den Nationalsozialisten gefeiert - und Abstand genommen vom umstrittenen Totengedenken der Burschenschafter. Die Bedeutung des 8.Mai für die Gesellschaft habe sich gewandelt, sagt der Historiker Oliver Rathkolb.

Morgenjournal, 8.5.2013

"Unwürdiges Schauspiel" beendet

Das Bundesheer hält dieses Mal eine Mahnwache für die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen, die Bundesregierung veranstaltet eine Gedenkfeier im Bundeskanzleramt, die Wiener Symphoniker geben ein Gratis-Konzert. Jahrelang waren am 8.Mai Burschenschafter zu Fackelzug und Totengedenken angetreten - worin Kritiker eine Heldenverehrung der Wehrmacht oder gar ein heimliches Betrauern der Niederlage des Dritten Reichs sahen. Dabei sei der 8.Mai der Tag der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus, sagt Oliver Rathkolb vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien: "Dass das in den letzten Jahren versucht wurde mit Totengedenken zuzudecken, ist meiner Meinung nach ein sehr unwürdiges Schauspiel gewesen, weil man die hunderttausenden Soldaten, die hier gefallen sind, und die Millionen Opfer des zweiten Weltkriegs in Geiselhaft genommen hat für eine politische Sache." Nicht zuletzt die Auftritte von freiheitlichen Politikern hatten dabei für Aufregung gesorgt.

Eigenartiger Zuspruch

Wobei von den Veranstaltern des bisherigen Totengedenkens offiziell Zuspruch kommt zum heutigen "Fest der Freude" - allerdings mit eigener Wortwahl. In einer Aussendung des Wiener Korporationsrings und des Rings volkstreuer Verbände heißt es: Nun werde dem Gedenken an die Toten ein würdiger und offizieller Rahmen gegeben. Man werde als stille Teilnehmer beiwohnen und von einer eigenen Veranstaltung absehen.

Der Historiker Oliver Rathkolb sagt: "Eine kleine Minderheit hat versucht, aus der Kapitulationserklärung der deutschen Wehrmacht eine militärische Niederlage zu machen und gleichzeitig darüber immer wieder das Totengedenken gestreut. Ich glaube aber, es ist wichtig, sich von dieser Vorstellung, der 8. Mai 1945 sei ein Tag der Niederlage Deutschlands, endlich zu verabschieden."

Geschichtspolitische Wende

Der Historiker spricht von einem Bedeutungswandel des 8.Mai. Dabei habe man sich in den ersten Jahren nach dem Krieg um diesen Gedenktag gar nicht gekümmert. Die "Totenkulte" und die "Erinnerungskultur" an die deutsche Wehrmacht seien eher Ergebnisse der 1950er und 1960er-Jahre. "Je besser die sozioökonomische Lage, desto nostalgischer und unreflektierter sind die Rückblicke auf die Kriegszeit." Umfragen in den sechziger Jahren hätten gezeigt, dass damals die Mehrheit der Bevölkerung das Kriegsende eher als Niederlage denn als Befreiung verstanden habe. Diverse rechtsradikale Formationen und vor allem Burschenschaften hätten diesen Tag dann plötzlich als einen "Erinnerungstag" besetzt und versucht, ihn für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die heutigen Feiern am Heldenplatz sind laut Rathkolb ein später, aber wichtiger Versuch, einer geschichtspolitischen Wende Ausdruck zu verleihen.