Tierschützer: Demo-Drohung als "Nötigung"

Der Nationalrat wird heute einstimmig den sogenannten Anti-Mafiaparagrafen des Strafgesetzes derart ändern, dass er nicht mehr auf Tierschutz-Organisationen angewendet werden kann. Doch schon droht neuer Ärger für die Tierschützer im längst noch nicht abgeschlossenen Prozess von Wiener Neustadt.

Morgenjournal, 5.7.2013

"Schluss mit Pelzverkauf, sonst..."

Das Oberlandesgericht Wien ist der Meinung, dass schon die Androhung von Demonstrationen unter bestimmten Voraussetzungen bestraft werden soll. Das sei eine Fehlentscheidung, meint Klaus Schwaighofer, Vorstand des Strafrechtsinstituts der Universität Innsbruck. Der Hintergrund: Tierschützer hatten in mehreren E-Mails einen Kleidungshändler aufgefordert, keine Pelze mehr zu verkaufen, sonst werde es eine Kampagne mit Demonstrationen und Pressemeldungen geben. Ein Zitat aus der E-Mail, das die Tonalität beschreiben soll: "Bis Mittwoch 8 Uhr besteht noch die Möglichkeit mit einem blauen Auge (imagemäßig) davonzukommen". Weiters hatte eine Tierschützerin auf einer Aktionärsversammlung einer Modekette den Ende des Pelzverkaufs verlangt. Sonst werde eine Kampagne geführt, "egal ob es drei Monate oder fünf Jahre dauert".

Demonstration nicht sittenwidrig

Unangenehm für die betroffenen Firmen zweifellos, die sich letztlich auch um ihren Geschäftsgang gesorgt haben mögen. Aber strafrechtlich relevant? Eine sogenannte Nötigung, also Zwang zu einem bestimmten Verhalten durch gefährliche Drohung, und damit Grundlage für Geldstrafe oder Gefängnis? Das Oberlandesgericht Wien hat das Landesgericht Wiener Neustadt angewiesen, das neu zu überprüfen, nachdem genau dieses Landesgericht Nötigung bereits verneint hatte. Diese Rechtsansicht sei unhaltbar, meint nun der Innsbrucker Strafrechtler Klaus Schwaighofer. Denn Demonstrationen seien in unserem Rechtsstaat erlaubte Mittel, so wie auch Streiks ein erlaubtes Mittel seien. "Und ein erlaubtes Mittel zu dem Zweck Tierschutz erscheint mir nicht sittenwidrig."

Strafgesetzbuch ausreichend

Wenn man der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts folge, dann hieße das, dass jede Streikdrohung für höhere Löhne eine strafbare Nötigung oder gar Erpressung sei, sagt Schwaighofer. Das alles bedeute - abstrakt gesprochen -strafrechtlich aber keinen automatischen Freibrief für sämtliche Tierschutzaktivitäten, schränkt der Strafrechtsprofessor Schwaighofer ein. So gäbe es bei einer Tierbefreiungsaktion die Delikte "Sachbeschädigung" und "dauernde Sachentziehung" und eine Reihe von Tatbeständen im Strafgesetzbuch, die durchaus eingreifen könnten.

Auf eine konkrete Prognose über den Ausgang des anhängigen Verfahrens will sich Strafrechtsprofessor Schwaighofer nicht einlassen. Den Nötigungsparagrafen zu ändern - so wie es jetzt mit dem Anti-Mafiaparagrafen geschieht - sieht er jedenfalls nicht. Die aktuelle Rechtsvorschrift ermögliche durchaus eine Interpretation, um zu sinnvollen und vertretbaren Ergebnissen zu kommen, schreibt der Rechtswissenschaftler seinen Juristenkolleginnen und Kollegen im Talar ins Stammbuch.