Berlusconi-Urteil: Mild, aber erschütternd

Es ist ein mildes Urteil: Von vier Jahren altersbedingt nur eines, und nicht in Haft, sondern Hausarrest oder Sozialdienst. Und vorerst kein Politverbot. Dennoch wettert Silvio Berlusconi gegen Gericht und Justiz. Und die filigrane Regierungskoalition droht zu brechen. Staatspräsident und Premierminister mahnen zur Besonnenheit und zur Wahrung der Stabilität.

Richter Antonio Esposito

(c) Di Meo, EPA

Mittagsjournal, 2.8.2013

Politische Erschütterung

Das Urteil kam nicht unerwartet. Und trotzdem hat er eine schwere politische Erschütterung ausgelöst. Zumal einige der Richter politisch dem Lager Berlusconis zugerechnet werden. Der sieht aber auch jetzt seine Überzeugung bestätigt, dass linke Richter ihn verfolgen. Berlusconi attackiert noch am Abend in einer dramatischen Videobotschaft die Richterschaft, nennt sie eine verantwortungslose Macht im Staat, die seit 20 Jahren mit Willkür die Politik kontrolliere. So hat man Berlusconi selten gesehen: Düster, wütend und mitgenommen schaut er in dem Video aus. Er habe 20 Jahre dem Wohl des Landes und dem Kampf gegen den Kommunismus gewidmet und ernte nun Undank und ein Urteil ohne jede Grundlage, das ihm seine Freiheit und seine politischen Rechte raube. Geschlagen gibt sich Berlusconi aber nicht und verkündet, er werde jetzt erst recht für die Freiheit in Italien kämpfen.

"Regierung muss weiter arbeiten"

Aber auch wenn Berlusconi es nicht wahrhaben will: Jetzt ist er ein rechtskräftig verurteilter Steuerbetrüger und politisch nicht mehr tragbar. Konflikte sind vorprogrammiert. Umso lauter kommen jetzt aus allen Lagern die Aufrufe zu Zurückhaltung und Verantwortungsbewusstsein. Gerade zeigen die Wirtschaftsstatistiken einen kleinen Lichtblick in der Krise, und nichts würde mehr schaden, als eine neue Phase der politischen Unsicherheit. Das sagen heute auch fast alle Medien. Es müsse alles unternommen werden, um die Regierung weiter arbeiten zu lassen.

Aber der Vorsitzende des sozialdemokratischen Koalitionspartners, der mit einer rebellierenden Basis kämpft, verlangt, dass das Urteil respektiert und umgesetzt wird. Mit anderen Worten, dass Berlusconi sich aus der aktiven Politik zurückzieht. Nur so könne die Regierung ungestört weiter arbeiten. Für den Bestand der Regierung haben in der Nacht auch die gemäßigten Abgeordneten aus den Reihen Berlusconis argumentiert. Sie haben ihrerseits mit den Hardlinern in ihrer Partei zu kämpfen, die diese Demütigung nicht ohne Folgen hinnehmen wollen.

Grillo triumphiert

Berlusconi ist tot, es lebe Berlusconi, triumphiert hingegen Beppe Grillo, der Führer der radikalen Oppositionsbewegung. Für ihn ist die Allianz zwischen der linken Demokratischen Partei und der Partei Berlusconis bereits zerbrochen.

Der Fall Berlusconi, schreiben heute viele Zeitungen, zeige eine Schwachpunkt der italienischen Demokratie: Es gibt kein klares Gesetz gegen den Interessenskonflikt. So konnte es passieren, dass der Medienunternehmer zum Spitzenpolitiker wurde und die persönlichen Konflikte des privaten Unternehmers mit der Justiz zur Krise des italienischen Staates.