Erich Hackl: Geschichten der Mutter

Erich Hackl gilt als der große Chronist in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, denn seinen Erzählungen liegen immer authentische Lebensberichte zu Grunde. Seinen Durchbruch schaffte er mit „Abschied von Sidonie“, der erschütternden Geschichte eines Roma-Mädchens, das im Konzentrationslager ermordet wurde. Zuletzt erschien das generationenübergreifende Porträt der „Familie Salzmann“. Dieser Tage kommt nun Erich Hackls neues Buch heraus, mit dem er in die eigene Familiengeschichte eindringt: „Dieses Buch gehört meiner Mutter“.

Morgenjournal, 22.10.2013

Es ist die Mutter selbst, die da spricht in Erich Hackls neuem Buch und sie erzählt von bäuerlichem Aberglauben und vom einzigen Kommunisten im Ort, vom ersten Fahrrad, noch aus Holz, und der durchziehenden Roten Armee.

Es sind Erzählungen aus der Kindheit und Jugend der Mutter, aus der Zeit des Austrofaschismus und des Zweiten Weltkriegs. Schauplatz ist das nördliche Mühlviertel unweit der tschechischen Grenze und diese Region, erzählt Erich Hackl, habe auch für die besondere Sprache seines Buches gesorgt. In der Kargheit der Sprache steckt aber eine ungeheure poetische Wirkung und tatsächlich hat Hackl große Teile des Buches in Versform niedergeschrieben.

Erinnerungen und Interviews

Erich Hackl hat ja ursprünglich Spanisch studiert und neben Ak’abal noch zahlreiche andere lateinamerikanische Autoren ins Deutsche übersetzt. Das Interesse an Südamerika, wenn auch auf ganz andere Weise, hat es auch schon bei seiner Mutter gegeben. Damals stand sogar die Auswanderung ins brasilianische Bergland zur Diskussion.

Für sein Buch hat Erich Hackl nicht nur auf seine Erinnerungen zurückgegriffen, er hat mit seiner Mutter auch zahlreiche Interviews geführt, das erste bereits in den 1970er-Jahren. Die größten Herausforderungen im Schreiben waren die neuralgischen Punkte im Leben seiner Mutter, wie der Einmarsch der Roten Armee. Hier nahm sich Hackl die Freiheit, wie er im Nachwort schreibt, der Mutter sein eigenes Gewissen anzudichten.

Die Erfahrungen der Mutter bleiben unkommentiert, ihr Nebeneinander ist aber genauestens komponiert und zeigt wie Erich Hackl die Kunst beherrscht zwischen den Zeilen zu schreiben. Und weil er das in einer glasklaren Sprache macht, die jedes Wort am rechten Fleck trägt, gehört Erich Hackls neues Buch nicht nur seiner Mutter, sondern auch in jedes Bücherregal, das etwas auf sich hält.