Tunesien: Beispiel gebende Verfassung

Tunesiens Parlament hat gestern eine neue Verfassung bestätigt. Im Gegensatz zu dem Verfassungstext, mit dem im Nachbarland Ägypten das Militär seine Macht gefestigt hat, gilt die neue tunesische Verfassung als Vorbild für die arabische Welt. Laut ihr soll zum Beispiel die Hälfte aller Abgeordneten im tunesischen Parlament Frauen sein. Der Islam soll nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Mittagsjournal, 27.1.2014

Erfreute Opposition

Applaus und Freudengesänge gestern Abend im Parlament in Tunis. Drei Jahre nach dem Sturz von Ex-Diktator Ben Ali und fast zwei Jahre nach Beginn der Verhandlungen hat Tunesien endlich eine neue Verfassung. Sie ist mit großer Mehrheit angenommen worden: 200 Abgeordnete haben für sie gestimmt, nur 12 dagegen. Die Freude und Erleichterung darüber steht vielen Abgeordneten ins Gesicht geschrieben: "Ich will allen Tunesiern gratulieren. Das ist ein historischer Moment. Ich fühle, dass ein schwerer Stein von mir fällt", freut sich ein Abgeordneter der Opposition.

Auch Rachid Ganouchi dem Chef der bisher regierenden Ennahda Partei, ist Erleichterung anzumerken: "Wir danken Gott, dass die Tunesier eine friedliche Revolution geschafft haben, die die Welt erleuchtet. Wir haben es geschafft einen Bürgerkrieg zu verhindern, wir haben uns geeinigt."

Fortschritt mit Schwachstellen

Die neue Verfassung ist in vielerlei Hinsicht fortschrittlich: Frauen und Männer sind gleichgestellt. Im tunesischen Parlament soll die Hälfte aller Abgeordneten weiblich sein. Zwar ist der Islam als Staatsreligion festgelegt, in der Verfassung verankert sind aber ebenso Glaubens- und Meinungsfreiheit. Für die Opposition ist das ein Sieg, die muslimische Ennahda Partei musste in vielen Punkten nachgeben, auf einige habe Sie aber bestanden, sagt Khaled Chaabane, Politologe an der La Manouba Universität in Tunis. So sei die nicht abgeschaffte Todesstrafe ein schwacher Punkt.

Nach dem Rücktritt der Ennahda Partei hat am Wochenende ehemalige Industrieminister Mehdi Jomaâ seine Übergangregierung vorgestellt. Sie besteht aus parteiunabhängigen Experten, bis auf den Innenminister. Er hat bereits in der Ennahda-Regierung dieses Amt innegehabt. Laut der Opposition soll er mitverantwortlich sein für den Tod des Oppositionspolitikers Mohammed Brahmi, sagt Khaled Chabane.

Die Übergangsregierung in Tunesien hat jetzt vor allem eine Aufgabe: Dafür zu sorgen, dass die Investoren aus dem In- und Ausland wieder investieren und der Tourismus wieder blüht. Und die neuen Wahlen vorzubereiten. Wählen werden die Tunesier laut Cheban frühestens im Oktober 2014.