Wiener Missbrauchsfall: Fakten und Hilfe

Ein Dachdecker hat in Wien einen Kindesmissbrauch durchs Fenster beobachtet und mit seinem Handy gefilmt. Der Vater der Zweijährigen hat unterdessen ein Geständnis abgelegt. Das Jugendamt war bereits länger mit der Familie in Kontakt, sagt aber, es habe keine Anzeichen für Missbrauch gegeben. Ein typischer Fall, sagen Experten, denn Kindesmissbrauch werde oft nur durch aufmerksame Beobachter aufgedeckt.

Mittagsjournal, 12.2.2014

Aufdeckung durch Beobachter

Die drei Kinder hätten vernachlässigt gewirkt, deshalb war das Jugendamt seit fast zwei Jahren in Kontakt mit der Familie. Konkret unterstützende Erziehungsmaßnahmen gab es seit einem halben Jahr. Anzeichen des Missbrauchs habe es aber keine gegeben, sagt das Jugendamt heute. Der Vater befindet sich in Haft, die Mutter mit den drei Kindern wird von einer Akutbetreuung versorgt. Viele Fragen sind in diesem Fall noch offen.

Fakt ist, dass Kindesmissbrauch oft bekannt wird, weil es aufmerksame Beobachter gibt, sagt klinische Psychologin und Kinderschutzexpertin Hedwig Wölfl von der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit. Denn die Betroffenen selbst werden von den Tätern meist unter Druck gesetzt. Die Person, die das dem Kind antut, ist auch die Person, die Zuwendung geben kann. Das ist ein Loyalitätskonflikt, der lange verhindert, dass darüber gesprochen und geholfen werden könne.

Wenig Verurteilungen

Mehr als 700 Fälle von Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen werden in Österreich pro Jahr angezeigt. Die Aufklärungsquote liegt bei 90 Prozent. Der Grund: die Täter seien nahezu immer im familiären Umfeld zu finden, sagt Kinderschutzexpertin Wölfl. Doch nur ein kleiner Prozentsatz der Fälle wird angezeigt. Die Ermittler sagen sie seien davon abhängig, dass ein solches Delikt angezeigt wird. Auf bestimmte Signale bei Kindern sollte man achten: Verhaltensänderungen, Unzufriedenheit, ungeklärte Schmerzen.

Allerdings: Nicht einmal jeder dritte angezeigte Fall führt zu einer Verurteilung. Der Grund: wenn es keine körperlichen Verletzungen gibt, scheitert es oft an der Beweislage, sagt die klinische Psychologin und Kinderschutzexpertin Hedwig Wölfl. Es sei schwer bei einer Traumatisierung die Sachlage so zu schildern, dass es für eine Verurteilung ausreiche.

Im Justizministerium gebe es derzeit Bemühungen, die Art der Befragung von Kleinkindern zu verbessern. Auch die Gutachten sollen rascher erstellt werden. In den vergangenen Jahren bemerken Experten aber sehr wohl dass die Tendenz in der Gesellschaft steigt: hinzuschauen statt wegzuschauen, sagt Wölfl.

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