Timoschenko: Comeback mit Fragezeichen

Julia Timoschenko ist zurück im politischen Rampenlicht der Ukraine. Viele trauen der charismatischen 53-Jährigen zu, die gespaltene Opposition zu einen. Aber nicht für alle ist sie eine Märtyrerin. Viele Ukrainer sind ernüchtert, dass die einstige Ikone der Orangen Revolution keinen wirklichen Wandel im Land herbeiführte, und werfen ihr dubiose Geschäfte in der Vergangenheit vor. Zudem ist in der eigenen Partei ein Konkurrent herangewachsen.

Julia Timoschenko

(c) EPA, SHIPENKOV

Mittagsjournal, 24.02.2014

Politik aus dem Gefängnis

Julia Timoschenko war zweieinhalb Jahre lang inhaftiert. Während ihres Prozesses wegen Amtsmissbrauchs kam sie im August 2011 hinter Gitter, zwei Monate später wurde sie trotz internationaler Proteste zu sieben Jahren Straflager und umgerechnet 137 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt. In dem nach Ansicht internationaler Beobachter politisch motivierten Verfahren wurde ihr ein Abkommen mit Russland über Gaslieferungen zum Nachteil der Ukraine zur Last gelegt. Unbändig kämpften Timoschenko und ihre Familie seither für ihre Freilassung, mehrfach trat sie in Hungerstreiks. Mit flammenden Appellen mischte sie sich immer wieder in das politische Geschehen in der Ukraine ein und machte gegen Präsident Viktor Janukowitsch Front. Andauernde Schmerzen machen der streitbaren Vollblutpolitikerin in der Haft gesundheitlich zu schaffen. Auch Spezialisten der Berliner Charite behandelten sie in der Ukraine. Timoschenkos Versuche, zur Behandlung nach Deutschland ausreisen zu dürfen, scheiterten im ukrainischen Parlament. Die ukrainische Justiz ermittelte noch in anderen Verfahren gegen Timoschenko, nämlich wegen angeblicher Steuerhinterziehung und Veruntreuung sowie eines vermeintlichen Auftragsmordes an einem Abgeordneten 1996.

"Gasprinzessin" als Revolutionsführerin

Timoschenko begann ihre Karriere als Wirtschaftsingenieurin in einer Maschinenfabrik in ihrer Heimatstadt Dnjepropetrowsk im russisch geprägten Osten der Ukraine. Ende der 80er-Jahre nahm sie ihr erstes eigenes Unternehmen in Angriff - einen Videoverleih. Danach ging es beruflich steil bergauf. Nach der Gründung eines kleineren Erdöl-Unternehmens übernahm sie die Leitung des zeitweise größten Erdgaskonzerns der früheren Sowjetrepublik, EESU. Der Posten brachte Timoschenko den Spitznamen "Gasprinzessin" und vermutlich auch ein Millionen-Vermögen ein. 2000 wurde sie Vize-Ministerpräsidentin mit Verantwortung für die Energiepolitik.

Nach ihrer Entlassung im Jahr darauf musste die Politikerin einige Wochen im Gefängnis verbringen. Zur Last gelegt wurden ihr die Fälschung von Zolldokumenten und der Schmuggel von Gas. Die später in allen Punkten freigesprochene Timoschenko bezeichnete das Vorgehen gegen sie als Hexenjagd eines korrupten Energiesektors, dem sie den Kampf ansagte. Sie legte sich ein neues Image zu: Mit blondiertem, geflochtenen Haarkranz und folkloristisch inspirierter Designer-Kleidung signalisierte sie Bodenständigkeit und ihre Abkehr von den Oligarchen. Als Galionsfigur der Orangen Revolution 2004/05 wurde die Politikerin über die Landesgrenzen hinweg bekannt. Die flammenden Reden der "Gasprinzessin" auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew elektrisierten damals Hunderttausende Demonstranten, die dem damals frisch zum Präsidenten gekürten Janukowitsch Wahlfälschung vorwarfen.

Nur kurz an der Macht

Nach der so erzwungenen Wiederholung der Wahl wurde Timoschenko Ministerpräsidentin an der Seite des neuen Präsidenten Viktor Juschtschenko, des zweiten Oppositionsführers der Orangen Revolution. Die beiden gerieten in Streit über den politischen Kurs und Timoschenko musste nach noch nicht einmal einem Dreivierteljahr an der Macht wieder gehen. Nach einem Intermezzo als Oppositionschefin wurde Timoschenko Ende 2007 erneut Ministerpräsidentin. Staatschef Janukowitsch warf sie 2010 raus, nachdem die beiden bei Präsidentschaftswahlen gegeneinander angetreten waren. Kurz darauf wurde Timoschenko wegen des Gasabkommens mit Russland inhaftiert. Der Westen kritisierte die Verurteilung Timoschenkos als politisch motiviert.

Die ukrainische Bevölkerung ist gegenüber Timoschenko heute gespalten. Als sie im Rollstuhl vor 100.000 Regimegegnern auf dem Maidan in Kiew auftrat, waren sowohl Sprechchöre mit ihrem Namen zu hören als auch Pfiffe. Beobachter schließen nicht aus, dass es in Timoschenkos Vaterlandspartei nun zu einer Zerreißprobe kommen könnte: Timoschenkos "Platzhalter" in dr Partei, Fraktionschef Arseni Jazenjuk (39) hat es mit seinen mitreißenden Reden bei den Protesten auf dem Maidan geschafft, aus dem Schatten seiner Parteifreundin zu treten. (Text: APA, Red.)