Venezuela: Politische Krise weitet sich aus

Seit fast einem Monat wachsen sich die Unruhen in Venezuela zu einer heftigen Krise aus. Rund um den ersten Todestag von Hugo Chavez entgleitet seinem Nachfolger Nicolas Maduro die Lage zusehends. Die Menschen protestieren gegen die Regierung, das Militär schlägt brutal zurück - und Maduro greift auf kuriose Strategien zurück.

Mittagsjournal, 5.3.2014

Aus Venezuela,

Zu spät für Ablenkung

Fasching statt Straßenschlachten. Venezuelas Präsident Nicolas Maduro scheint die Lösung für die politische Krise im Land gefunden zu haben – und hat kurzerhand die Karnevalsfeiertage verlängert. Das Motto: Hört auf mit den Dummheiten, geht lieber feiern. "Die Freude wird über die Bitterheit siegen.“, sagt Maduro in einer Ansprache, „und die Liebe über den Hass. Wollt ihr euch denn das nehmen lassen? Wollt ihr euch den Karneval nehmen lassen? Nein, niemals!"

Doch für diese Art von Ablenkung ist es längst zu spät. Auf den Straßen von Venezuela eskaliert die Situation. Jeden Tag gehen zehntausende Menschen gegen die Regierung auf die Straße. "Wir brauchen eine Zukunft", sagt die Studentin Vanesa. Alles gehe den Bach runter. Und das müsse sich endlich ändern.

Gewalttätige Proteste

Doch das venezolanische Militär ist nicht zimperlich. Und antwortet mit Prügeln, Gummigeschoßen und Tränengas. Offiziellen Angaben zufolge sind bereits mehr als 18 Menschen ums Leben gekommen, fast 300 sind verletzt. Und der Zorn wächst, auch bei einer Demonstrantin in Caracas: "Die Regierung sagt, sie will einen Dialog, aber das Militär schießt mit Tränengasbomben auf uns. Dieses Land ist in einer ernsten Krise. Wir brauchen dringend Hilfe."

Und das Schlimmste habe noch nicht einmal begonnen, sagt der venezolanische Journalist Vladimir Villegas. "Die Proteste sind schon jetzt gewalttätig, und das liegt auch an den radikalen Oppositionellen. Aber bisher haben sich die Chavistas weitgehend herausgehalten, die loyalsten Anhänger von Chavez und Maduro. Wenn die ausrücken, dann wird es gefährlich, davor haben alle Angst." Denn die Kluft innerhalb der Bevölkerung wächst unaufhörlich. Die mächtigen Chavistas, gestärkt von der Arbeiterklasse stehen einer immer frustrierteren Mittelschicht gegenüber.

Der Präsident muss handeln

Venezuela hat Erdöl und andere Bodenschätze – und trotzdem sind die öffentlichen Kassen leer. Die Wut steigt: auf die Engpässe an Lebensmitteln und Medikamenten, auf die Korruption, die grassierende Kriminalität, die Inflation, die bei 55 Prozent liegt.

"Noch hat Maduro Rückhalt unter den ärmeren Bevölkerungsschichten", sagt Villegas. "Aber auch die wird er ohne Reformen bald verlieren." Der Präsident müsse etwas gegen die Hyperinflation tun, gegen den Währungsverfall. Wenn er das nicht bald tue, werde er Probleme haben.

Halbherzige Friedenskommission

Nicolas Maduro scheint überfordert. Und zeigt sich jeden Tag mit einem anderen Gesicht. Mal spielt er eiskalten Kriegsführer, poltert laut gegen seine Gegner, schimpft sie Faschisten, und lässt hunderte Oppositionelle verhaften. Dann wiederum beschwört er den Frieden und den Dialog, betet für Toleranz – und setzt vergangene Woche halbherzig eine Friedenskommission ein.

Denn Maduro wisse, dass es um seine politische Existenz geht, sagt Peter Hakim vom Institut für Inter-Amerikanischen Dialog in Washington D.C.: "Maduro muss sich nicht nur um die Opposition sorgen. Er muss vielmehr auf seine Feinde in den eigenen Reihen aufpassen. Es gibt einige mächtige Chavistas, die ihn weghaben wollen." Eines sei jedenfalls klar, sagt Lateinamerikaexperte Hakim: Sollte er diese Krise nicht lösen können, werde Nicolas Maduro nicht mehr lange Präsident sein.