Wenn die Schwiegermutter den Job auswählt

Frauen, die aus der Türkei nach Österreich kommen oder aus Familien mit türkischer Herkunft stammen, schaffen den Sprung in den Arbeitsmarkt oft nicht. Das zeigt die Statistik der Erwerbstätigkeit. Mit speziellen Projekten versucht man, Hürden zu überwinden.

Mittagsjournal, 22.3.2014

Heikle Situationen

Es ist meistens die Tradition und nicht die Religion, die bestimmt, ob Frauen mit Migrationshintergrund berufstätig sind. Wie schwierig es ist, Frauen mit besonders konservativem Umfeld zu motivieren, sich weiterzubilden, weiß Birsen Erdem vom Projekt MIGIN. Sie betreut türkischstämmige Frauen zwischen 21 und 50: "Wir können sie motivieren, wir können ihnen die Wege zeigen, sie begleiten, aber den Weg müssen sie dann selbst gehen."

Das Werkzeug, heikle Situationen zu meistern, hat sich Birsen Erdem im Interkulturellen Zentrum geholt. Ebenso wie ihr Kollege Dragan Perak. Der gebürtige Bosnier betreut seit 20 Jahren bei MIGIN Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien. "Ich versuche, meinen Kundinnen beizubringen, was Leben in einer pluralistischen Gesellschaft bedeutet", sagt er, "und das oft gegen den Widerstand der restlichen Familie". So darf eine Frau in einer patriarchalischen Familie eine Job nicht annehmen, bevor das ihr Mann oder die Schweigermutter entscheiden hat. "Da versuchen wir zu helfen, und es ist nicht einfach."

Eifersüchtige Ehemänner

Wenn er als Mann sich in familieninterne Angelegenheiten einmische, dann werde das von den Ehemännern nicht gerne gesehen, sagt Dragan Perak, zum Beispiel, wenn er versuche, eine Kundin telefonisch zu erreichen. Denn dann melde sich die Frau nur selten selber am Handy, sondern ihre Schwiegermutter, ihr Sohn oder ihr Mann. Und er müsse erklären, was er von der Frau wolle, wo er arbeite - die Männer seien oft eifersüchtig. Schwierig, sagt der Berater, aber, man habe noch jede heikle Situation gemeistert. Und Birsen Erdem sieht auch Fortschritte, vor allem bei den Jungen, die aufgeschlossener seien und besser Deutsch sprächen. Generell steigt das Bildungsniveau von Frauen mit Migrationshintergrund in Österreich. Es gibt immer weniger, die nur einen Pflichtschulabschluss haben.