Die "Café Sonntag"-Glosse von Karl Ferdinand Kratzl

Eigentlich bin ich ein autofahrender Autogegner! Mein Wagen, meine Limousine, meine Karre, meine Rennsemmel muss mich in unmittelbarer Nähe zu allen meinen Aktivitäten bringen. Aber flott! Bevor ich einsteig, steck ich mir einen Pfefferoni in den Popo und dann Vollgas. Ich bin der Wilde: "I was net wo i hinvor, aber davür bin i gschwinder dort." Da freut sich der Größenwahn. Ich muss ja mobil sein!!! Ich krieg ja net überall alles, was ich brauch!

In Österreich werden jeden Tag auf der Straße zwei Menschen umgebracht. Wollen Sie noch ein Brioche-Kipferl zum Eintunken? 365 Tage pro Jahr. Und da sind jene, die laut WHO infolge der Abgase sterben, noch gar nicht eingerechnet. Lasst Euch das Frühstück gut schmecken! Jaja: Die Schachtelhalme, die Gänseblümchen und die Apfelbäume, ja die ganzen Pflanzen haben es gut. Die brauchen nur Sonnenschein, Regen und einen passenden Boden. Ich brauch mehr! Und zwar dringend! Wo krieg ich das? Da muss ich hinfahren! So einfach ist das.

Dann bin ich am Ziel. Was ist dann? Dann muss ich aussteigen und zu Fuß weitergehen. In einem langsamen Zwei-Viertel-Takt. Schritt für Schritt bin ich ja viel zu langsam. Ich dürfte ja in der Stadt mit 50 Stundenkilometer gehen. Aber da sieht man nix. Da fetzt alles nur so vorbei. Jetzt, ganz langsam verfolge ich die schwarzen Asphaltlinien am Trottoir, ab und zu wachsen Kräuter wie Hirtentäschel und Löwenzahn aus dem Zusammentreffen von Hauswand und Gehsteig. Ein Spinnennetz vor einem Kellerfenster. Mittendrin eine fette, resche Kreuzspinnerin. Oben aus einem Fenster höre ich Klavierspielen. Eine Radlfahrerin sperrt gerade ihr Fahrradschloss ab, richtet sich auf und schenkt mir ihren heiteren Blick.

Einen Vorteil aber hat das Autofahren: Im Gegensatz zu allen anderen Menschen dürfen wir Autofahrer unsere Umgebung straffrei verlärmen, verunreinigen und die öffentliche Sicherheit gefährden. So a richtige Drecksau sein, ist für alle Gutmenschen recht erfrischend.
Es ist verboten zu laut zu sein!
Es ist verboten krebserregende Substanzen zu versprühen!
Wir Autofahrer verkürzen das Leben unserer Mitmenschen um zwölf Jahre durch unsere Auspufferei! Dafür sollten uns die Krankenkassen und Pensionsversicherungsanstalten wenigsten, als kleines Dankeschön, unsere Autos zu gratis Verfügung stellen!

Wer befreit uns von der Autofahrsucht? Ich nicht!
Das Übel kommt ja von der Werbung. Gezeigt wird eine leere Landstraße in wunderschöner Umgebung, auf der ein einziges Auto herumsaust. Würde die Realität des Verkehrs im Stau gezeigt werden, wäre ja kein Mensch so dumm, ein Auto zu kaufen.