Können sich Schotten Unabhängigkeit leisten?

Die Schotten stimmen am 18. September darüber ab, ob Schottland bei Großbritannien bleiben oder unabhängig werden soll. Doch kann ein unabhängiger schottischer Staat tatsächlich in einem Schnellverfahren 29. EU-Mitglied werden? Die schottische Regierung, die treibende Kraft hinter dem Referendum, verspricht einen nahtlosen Prozess, während Gegner vor langwierigen Beitrittsverhandlungen warnen.

Derzeit lehnt die Mehrheit der Schotten die Unabhängigkeit ab, das Ja-Lager hat aber in den vergangenen Monaten in den Umfragen zugelegt und liegt bei rund 46 Prozent. Die größte Sorge der exportorientierten Unternehmen in Schottland ist das Thema EU-Mitgliedschaft.

Mittagsjournal, 31.7.2014

Eine Reportage bei Unternehmen in Schottland von

Schottischer Käsekuchen für die EU

Am Stadtrand von Ayr mitten im Industriegebiet hängt Käsekuchenduft in der Luft. Vor zwölf Jahren gründete Frances Barron zusammen mit ihrer Schwester die Handmake Cheesecake Company. Sie hatten sehr wenig Startkapital, dafür aber unzählige Rezepte der verstorbenen Mutter. Das Wagnis zahlte sich aus. Heute beschäftigt das Unternehmen 30 Mitarbeiter und setzt mehr als 1,3 Millionen Euro im Jahr um. Ein unabhängiges Schottland ist für Frances ein süßer Gedanke. Dieses kleine Land habe eine gute Ausgangsbasis und würde wie ein Kleinunternehmen effektiver ohne viel Bürokratie funktionieren. Frances vertreibt ihre Produkte in ganz Großbritannien, nächstes Jahr sollen die handgemachten Käsekuchen auch das europäische Festland erobern. Für sie ist ganz klar, dass ein unabhängiges Schottland auch ein Teil der Europäischen Union sein wird. Schottland sei ja jetzt schon in der EU, erfülle alle Kriterien und werde nahtlos seine Mitgliedschaft fortsetzen.

Sonderbehandlung zugesagt?

Der ehemalige Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hatte in einem BBC-Interview gewarnt, dass Schottland als unabhängiges Land neue Verhandlungen über die Mitgliedschaft führen und alle Mitgliedsstaaten zustimmen müssten. Die schottische Nationalregierung bezieht sich jetzt auf einen hochrangigen EU-Vertreter in Brüssel, wonach der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Schottland als Sonderfall behandeln wolle. Aus Brüssel heißt es dazu, man kommentiere nicht die Aussagen anonymer Quellen.

Whisky-Hersteller zittern

Viele exportorientierte Branchen wie die schottischen Whisky-Hersteller beobachten die Diskussion mit Skepsis. Schottischer Whiskey ist der erfolgreichste Exportartikel des Landes mit einem Jahresumsatz von mehr als fünf Milliarden Euro. Die Mehrheit der Whisky-Produzenten sei sehr besorgt, das Referendum schaffe wirtschaftliche Unsicherheit, sagt die Pressesprecherin der Branchenvertretung, der Scotch Whisky Association, Rosemary Gallagher: "Viele befürchten, wenn Schottland Großbritannien verlässt, müsste das Land erneut der EU beitreten, zu Bedingungen, die weit weniger günstig als die bisherigen sind." Ein Drittel der Whisky-Exporte gehe in die EU, sagt Gallagher. Es sei sehr wichtig ein EU-Mitglied zu bleiben.


Gegner und Befürworter der Unabhängigkeit streiten über die Konsequenzen eines Alleingangs, sie sind sich jedoch einig, Schottland könnte wirtschaftlich den Alleingang wagen. Die Frage ist, ob sich die Schotten das zutrauen.