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Mitterlehner: Leadership gegenüber Russland

Seit gestern Mitternacht gelten die jüngsten Wirtschaftssanktionen des Westens gegenüber Russland. Österreich verhält sich im Zusammenhang mit den Maßnahmen der EU unauffällig und zurückhaltend. Der Grund ist schnell gefunden: An die 550 heimische Unternehmen sind in und mit Russland geschäftlich verbunden. Und Österreich ist nach wie vor auf Gasimporte angewiesen.

Reinhold Mitterlehner

(c) APA/ROLAND SCHLAGER

Mittagsjournal, 2.8.2014

Reinhold Mitterlehner im Gespräch mit

Sanktionen: Primat der Politik

"Die EU muss in der konkreten Situation politische Leadership zeigen", sagt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Es sei wichtig, solidarisch zu handeln. Deshalb sei es auch richtig, dass Österreich bei den Sanktionen mitzieht, auch wenn es wehtut. Denn Österreich ist wirtschaftlich relativ eng mit Russland verflochten. Wenn man wirtschaftliche Fragen mit politischen Fragen abwägt, dann ist momentan das politische Primat entscheidend, so Mitterlehner. "Wir bemühen uns aber, die Sanktionen relativ verträglich für Österreich zu gestalten."

Er findet es politisch richtig, dass Europa in dieser Frage eine einheitliche Auffassung vertritt. Das erhöhe die Schlagkraft Europas. "Besorgt stimmt mich die Perspektive. Der Konflikt verzögert sich. Wir kommen in den Herbst hinein und die Problematik mit der Gasversorgung der Ukraine ist noch nicht geklärt." Die Sanktionen waren aber alternativlos. Die Alternative, militärisch einzugreifen, kommt für Mitterlehner nicht in Frage.

Österreich wird die Sanktionen zu spüren bekommen, vor allem Unternehmen, die im Hochtechnologiebereich arbeiten, und auch bei landwirtschaftlichen Produkten. "Ich glaube, dass wir mit den Sanktionen zurechtkommen werden. Der für uns wichtigste Punkt ist die direkte Energieversorgung. Da sehe ich eine wechselseitige Abhängigkeit", sagt er. Es sei kein Wirtschaftskrieg, aber die Sanktionen schaden einer prosperierenden Wirtschaftsentwicklung. "Ich gehe davon aus, dass Europa für Russland ein wichtiger Partner bleibt und kein nachhaltiger Schaden entsteht." Die russische Drohung, auf der Preisseite operieren zu wollen, sieht Mitterlehner als verbale Drohung an. Denn einerseits gibt es langfristige Kontrakte, die eine Preiserhöhung verhindern und andererseits würde eine einseitige Preiserhöhung zu einer Diversifizierung führen. Solch eine Strategie würde nur bei einem Monopol funktionieren und solch eine Monopolstellung hat Russland nicht. Der Wien-Besuch von Putin war die richtige Vorgangsweise, so Mitterlehner. Es sei wichtig die Gesprächsbereitschaft aufrechtzuerhalten, auch bei unterschiedlichen Meinungen zum Ukraine-Konflikt.

"Lohnsteuer runter" ist Populismus

Was den Wirtschaftsstandort Österreich anbelangt, stehe er auf der Seite der Industrie. "Wir müssen die Rahmenbedingungen ändern, was Bürokratie und Arbeitszeit anbelangt", sagt Mitterlehner. Er wolle die Rahmenbedingungen so gestalten, wie sie die Industrie braucht. In einer Zeit wie dieser, sei niemand interessiert von seinen erarbeiteten Leistungen zurückzugehen. Das ist zurzeit in allen Ländern schwierig. Die Krise berührt nicht nur Staaten und Banken, sondern ist mittlerweile auch beim Bürger und bei den Unternehmen angekommen. "Es wäre illusorisch anzunehmen, dass die größte Wirtschaftskrise nach dem Jahr 1929 spurlos vorübergeht und wir einfach nur unsere Verschuldung erhöhen müssen", so der Wirtschaftsminister.

"Lohnsteuer runter" zu plakatieren, ist eine Form von Populismus, sagt Mitterlehner. "Wenn wir die hohe Steuer- und Abgabequoten reduzieren möchten, müssen wir auch mit den Staatsausgaben runter gehen." Konkret bei den großen Ausgabenblöcken, wie Pensionen, Gesundheit oder Verwaltung. "Bei diesen Strukturen muss man ansetzen, ansonsten hat man den Spielraum nicht, bestimmte Steuern hinunterzubringen." Wenn jemand einen anderen Eindruck erzeuge, man bräuchte nur eine kleine Vermögenssteuer, klinge das zwar gut, aber ist einfach nicht umsetzbar. Außerdem sei es eine Illusion, davon auszugehen, dass die Wirtschaft wachse, wenn man die Steuern senke.

Im internationalen Vergleich kann Österreich nicht mit Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen punkten, sondern muss auf den Aufbau einer Wissensgesellschaft setzen, sagt Mitterlehner. "Da muss man investieren und ausbauen." Österreich befindet sich zurzeit in einer entscheidenden Phase: "So wie wir uns in den kommenden Jahren aufstellen, so werden wir auch die Zukunft bewältigen".