NATO-Gipfel im Zeichen der Ukraine-Krise

Der heute in Wales in Großbritannien beginnende NATO-Gipfel steht ganz unter dem Vorzeichen der Krise mit Russland. Geplant ist die verstärkte Präsenz des Bündnisses in Osteuropa. Aber vielen osteuropäischen NATO-Staaten gehen diese Pläne nicht weit genug. In den Hintergrund getreten ist die Diskussion um Afghanistan, wo das direkte westliche Engagement zu Ende geht. Die britische Regierung hat die Terrorwarnstufe aus Anlass des Gipfels angehoben.

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APA/EPA/Ben Gurr

Morgenjournal, 4.9.2014

Ursprünglich sollte Afghanistan im Zentrum der Beratungen stehen. Nach 13 Jahren wird am Hindukusch der längste Kampfeinsatz der NATO abgeschlossen. Ab 2015 sollen die afghanischen Regierungskräfte alleine für die Sicherheit im Lande zuständig sein. Nur die Ausbildung werden weiter NATO-Soldaten übernehmen. Aber die russische Intervention in der Ukraine macht alles anders. Unser Gipfel in Wales findet in einer veränderten Welt statt, so NATO-Generalsekretär Rasmussen.

Das atlantische Bündnis, dessen Existenzberechtigung noch vor einem Jahr gerne in Frage gestellt wurde, erlebt ein spektakuläres Comeback. Die Sicherheit des europäischen Kernlandes ist wieder ins Zentrum gerückt.
Nach dem russischen Einmarsch auf der Krim haben Polen und Balten gefordert, endlich NATO-Stützpunkte auf ihrem Territorium zu errichten. Als Schutz gegen eine mögliche Bedrohung durch ein Russland, das die Grenzen nicht mehr ernst nimmt. Deutsche und andere Westeuropäer waren dagegen, weil man Moskau nicht zusätzlich herausfordern wollte.

Klar ist: der berühmte Artikel 5 des Bündnisvertrages, wonach ein Angriff auf ein Mitgliedsland ein Angriff auf alle ist, hat schlagartig neue Aktualität bekommen.
Die NATO wird als Reaktion auf die neue Sicherheitslage in Europa beim heutigen Gipfel den Ausbau ihrer raschen Eingreiftruppe beschleunigen. In den neuen Mitgliedsstaaten sollen Materiallager angelegt werden, um für Notfälle gerüstet zu sein. Aber echten Militärbasen mit ständigem NATO-Militärpersonal sind nicht geplant. Der NATO-Experte der Brüsseler Denkfabrik European Policy Center Paul Ivan erwartet von Wales manch scharfe Rhetorik aber keine echte Verschiebung des militärischen Kräfteverhältnisses in Europa.

Vieles ist psychologisch. Eine NATO-Einsatztruppe gibt es schon seit einigen Jahren. Sie wird jetzt ausgebaut. Ein kleiner Teil soll in kürzerer Zeit mobilisiert werden können, innerhalb von 48 Stunden. Diese sogenannte neue Speerspitze der NATO-Einsatztruppe soll aus maximal 4000 Soldaten bestehen.

Die umkämpfte Ukraine selbst, die kein NATO-Mitglied ist, wird beim Gipfel in Wales durch Präsident Poroschenko vertreten sein wird. Sie kann auf finanzielle Hilfe für den Ausbau der ukrainischen Streitkräfte rechnen. Umstritten ist die Forderung einiger baltischer Staaten, die NATO soll doch Waffen nach Kiew schicken, weil Russland die Separatisten aufrüstet. Die Fronten innerhalb der NATO verlaufen ganz ähnlich wie in der EU, zwischen Befürwortern und Skeptikern eines härteren Kurses. Experte Paul Ivan:

Europa gefordert

Von mehreren NATO-Staaten kommt Widerstand gegen die Idee der Ukraine Waffen zu liefern. Andere sind dafür. Es könnte zu einer Gruppe der Willigen kommen, die die Ukraine in Eigenregie militärisch unterstützen.

Nicht zu rechnen ist bei dem heutigen beginnenden NATO-Gipfel, dass die USA für die Europäer in die Bresche springen. Die Militärbudgets schrumpfen auch jenseits des Atlantiks und Amerika ist bei der Abwehr der fundamentalistischen Terroristen des Islamischen Staates IS erneut im Irak engagiert. Der Druck zu einer Trendumkehr bei den europäischen Militärausgaben wird größer.

An dem Gipfel in Wales nehmen übrigens auch 24 Nicht-NATO-Mitglieder teil, die in Afghanistan oder auf dem Balkan gemeinsam mit der NATO agieren. zusammenarbeiten. Österreich ist durch Verteidigungsminister Klug vertreten.