Schottland: Cameron wagt sich vor

Nächste Woche stimmen die Menschen in Schottland ab, ob sie unabhängig werden, oder im Vereinigten Königreich bleiben wollen. Die Umfragen sind ganz knapp. Die Regierung in London ist hoch-nervös. Im letzten Moment will Premierminister David Cameron die Schotten zum Bleiben überreden. Ob er das lautstark in Schottland selbst tun soll, oder ob er lieber still in London bleibt, da sind die Strategen nicht ganz sicher.

Morgenjournal, 10.9.2014

Schottische Flagge auf Downingstreet 10

Die schottische Flagge über dem britischen Regierungssitz in Downing Street 10

EPA

Je näher der Tag der Volksabstimmung in Schottland rückt, desto verwaister sieht London politisch gesehen aus. Politiker aller Parteien, angeführt von Premierminister David Cameron strömen in 600 km entfernte Edinburgh. Ihre Mission: die Union zwischen Schottland und England muss gerettet werden. Dieser massive hektische Kraftakt so spät im Wahlkampf war keineswegs geplant, erst als die Umfragen diese Woche erstmals eine Mehrheit für Unabhängigkeit Schottlands zeigten, schrillten bei den Gegnern die Alarmglocken. Ihre Drohungen sind verstummt, jetzt werden die Schotten mit Liebesbekundungen geradezu bombardiert, umfangreiche Befugnisse in der Steuer- und Sozialpolitik werden versprochen, umfangreiche Reformen seien sofort möglich, so lange Schottland im Vereinigten Königreich bleibe.

Ein ungewöhnlicher Anblick hier in London. Neben dem Union Jack am Dach in der Downing Street Nummer 10 weht das schottische Andreaskreuz – auf gälisch Saltire genannt. Premierminister David Cameron hat die Flagge aus Solidarität mit den schottischen Nachbarn hissen lassen.
Die Regierungsgeschäfte in London scheinen im Moment nicht so wichtig zu sein, Cameron lässt die traditionelle Fragestunde des Premierministers heute ausfallen, er reist nach Schottland, das sei der richtige Ort um den Menschen zuzuhören und mit ihnen zu sprechen.

Eine riskante Strategie, bisher hatte sich Cameron nur wenige Male in Schottland blicken lassen - aus Angst, dass er mehr Wähler verschrecken als gewinnen könnte. Sein politisches Visi a Vis, Labour Oppositionschef Ed Miliband zieht es ebenso in den Norden. Hundert Labour Unterhausabgeordnete sind mit dabei. Ed Miliband verspricht den Schotten einen straffen Zeitplan für mehr Autonomie, sollte er nach den Parlamentswahlen im Mai Premierminister werden, würde ein Schottland Reformpaket mit umfangreichen Befugnissen in Steuer- und Sozialpolitik im Regierungsprogramm stehen.

Der Chef der schottischen Nationalpartei Alex Salmond tourt unterdessen weiter durch sein Schottland, gefolgt von Fotografen und Kamerateams, im Lager der Befürworter herrscht beinahe Partystimmung, die Kampagne der Gegner löse sich am Saum auf, stellt Salmond fest.

Er warnt die Schotten, den Großparteien im britischen Parlament sei nicht zu trauen, diese hätten noch vor zwei Tagen mehr Eigenständigkeit für Schottland versprochen und jetzt würden sie nur wieder alte Versprechen auftischen, die die Schotten ohnehin schon als unzureichend abgelehnt hätten.

Eine letzte Umfrage zeigt das Nein und Ja Lager bei exakt 50% wenn die Unentschlossenen nicht berücksichtigt werden. Jede Stimme zählt am 18. September, dass dies wirklich wortwörtlich der Fall sein wird, hätte vor wenigen Wochen niemand für möglich gehalten.