Flüchtlingswelle zwingt Türkei zum Handeln

Die Türkei könnte nun eine aktivere Rolle im Kampf gegen die Dschihadisten in Syrien und Irak übernehmen. Das hat Präsident Erdogan vor seiner Abreise zur UNO-Vollversammlung nach New York angedeutet. Was Ankara jetzt zum Handeln zwingt, ist die Flüchtlingswelle unabsehbaren Ausmaßes, die sich aus Angst vor dem Terror der Dschihadisten in Bewegung setzt.

Mittagsjournal, 22.9.2014

Aus Istanbul,

Immer tiefer wird die Türkei in die Kriege der Nachbarschaft hineingezogen. Allein in den letzten beiden Tagen sollen 100.000 Kurden über die Grenze geflüchtet sein, schätzt die UNO.
Es sind vor allem Frauen mit Kindern und Alte, die vor den Terrormilizen der IS flüchten. Sie scheinen unterwegs nirgendwo Halt gemacht zu haben. Wenige Schritte hinter der Grenze brechen einige zusammen. Manche beginnen zu weinen, so als würde ihnen erst jetzt bewusst werden, was sie in den letzten drei Tagen erlebt haben.

Die türkische Regierung spielt die Zahl der kurdischen Flüchtlinge herunter. Denn dieser weitere Zustrom hilfesuchender Menschen aus dem Süden sorgt bei der Bevölkerung der Grenzregionen für Unruhe. Gestern waren 3 Minister mit Steinen beworfen worden. Sie waren aus Ankara gekommen, um die Unterbringung der Flüchtlinge zu koordinieren. Doch viele Türken geben ihrer Regierung die Schuld, dass die Dschihadisten in Syrien so stark werden konnten.

Inzwischen hat Präsident Erdogan allerdings einen neuen Ton angeschlagen. Es habe den Regierungschef beauftragt, Vorschläge für die weitere Vorgehendweise der Türkei gegen die Dschihadisten auszuarbeiten. Denn es sei jetzt an der Zeit, im Einvernehmen mit der internationalen Koalition Entscheidungen zu treffen.
Bisher hatte sich Ankara mit militärischen Drohungen gegen die radikalen Islamisten zurück gehalten. Denn es galt, das Leben der 49 türkischen Geiseln nicht noch mehr in Gefahr zu bringen. Doch jetzt, nach der Rückkehr der Verschleppten, habe eine neue Phase begonnen, so Erdogan.

Umso lauter wird jetzt aber auch die Frage gestellt, was die türkische Regierung den Terroristen im Austausch für das Leben der Geiseln geboten hat. Wenn damit gemeint ist, dass wir Geld bezahlt hätten, dann haben wir das mit Sicherheit nicht. Einen solchen Handel hat es nicht gegeben. Auf der anderen Seite hat es politische und diplomatische Verhandlungen gegeben.
Aber heißt das, die Türkei hat den Geiselnehmern versprochen, sich nicht an der internationalen Koalition zu beteiligen? Das zumindest behauptet die IS. Falls es diese Zusage gegeben hat, so fühlt sich die türkische Regierung jedenfalls nicht mehr daran gebunden.

Was auch immer die Türkei tut oder unterlässt - Der Krieg im Süden lässt sich nicht mehr ignorieren. Demnächst könnten weitere zwei Millionen Flüchtlinge dazu kommen, schätzen Experten. Mehr als eine Million hat die Türkei bereits in den letzten 3 Jahren aufgenommen.

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